Tierische und andere Offerten
Isolde nicht antun. Aber was blieb ihr übrig? Sie fasste also Mut und griff zum Telefon. Überraschenderweise sagte Herr Baumann sofort zu, ihr in dieser Notsituation behilflich zu sein.
Er versprach, gleich vorbeizukommen. Und loyal fügte er hinzu: »Das werden wir zwei schon packen!« Isolde glaubte, sich verhört zu haben.
Mit bangem Herzen wartete sie auf sein Eintreffen. Vorsichtshalber brühte sie noch eine Kanne Kaffee auf, man konnte ja nie wissen, und ein bisschen Entgegenkommen hat noch nie geschadet.
Strahlend kam Herr Baumann herein, während Isolde ihn kläglich ansah. Stockend erklärte sie ihm ihr Problem mit der Maus, oder besser gesagt mit dem Computer, der einfach nicht das machen wollte, was sie ihm befahl.
»Na, da wollen wir doch mal sehen!«, entgegnete Herr Baumann zuversichtlich, setzte sich neben Isolde und in Windeseile hämmerte er auf die Tasten, holte Dateien hervor, legte sie wieder ab, stellte um, löschte und rief wieder auf. Isolde konnte dem Geschehen gar nicht folgen. Am Schluss aber zeigte ihr der Computer das längst verloren geglaubte Sitzungsprotokoll in voller Größe an. Unglaublich!
Dankbar sah sie Herrn Baumann an. Der strahlte zurück, nahm ihre Hand, legte sie auf die Maus und hielt sie ganz fest.
Marianne Marquardt
Traum einer Ente
Tja, Gerda ist eine echte Entendame aus Hamburg. Von der Alster an die Wuhle. Schuld ist Schickimicki-Erpel Felix, der Blickfang schmachtender Entenaugen. Anfangs war es sogar schön in Berlin. An der Wuhle, am Nordring, neben dem Autohaus wohnte die Entenfamilie – sauberes Wasser, saftige Wiesen und eine tolle Nachbarschaft. Manchmal träumt Gerda in dem dreckigen Tümpel, der vor sich hinstinkt, davon.
Und es ist wie früher. Der Wind kräuselt eine hell glänzende Wasserfläche. Am Ufer wiegt sich hohes saftiges Gras. Eifriges Piepsen zeigt, wo die Familie ist. Papa Felix hält eine Übungsstunde ab. Unter der Brücke kommt stolz und aufgeblasen Familie Schwan daher. Vorn die Alte, dann der eitle Gockel und die beiden Jungen. – Hochnäsig wie immer. Der geile Vogel kann es nicht lassen. Dieser lüsterne Blick schon wieder. Dass die Alte nichts merkt. Schließlich zwitschern es die Schwarzkehlchen von allen Bäumen, was das für ein Galan ist.
Die haben es gerade nötig. Ihr Nachwuchs pfeift übers Wasser und lässt seinen Schiet ungeniert auf alles herabfallen. Die Unken haben sich auch aufgeregt. Höchste Zeit für eine Bewohnerversammlung. Da muss einiges geklärt werden. Es wird nur schwierig, alle zusammen zu kriegen. Hallo, wer ist da am Ufer? – Frieda Schnepfe. Erst kürzlich hergezogen, aber die weiß über alles Bescheid. Ich ruder mal rüber. Vielleicht gibt es Neuigkeiten.
»Kra, kra! Nein, bitte nicht!«
Aus der Traum.
Verärgert schlägt Gerda die Augen auf.
Da ist ein Tümpel mit schwarzer, stinkender Brühe. Darauf schwimmt, halb eingesunken, verrosteter Schrott. Und auf diesem thront als Sinnbild die höhnisch grinsende Krähe Erna.
Frank Gründig
Wer andere aus dem Nest treibt ...
Im August, an einem Mittwochmorgen, rückten Handwerker in der Siedlung an. Die Dachreparatur bei Frau Stein stand für Jan und Paul auf dem Plan.
Paul stieg emsig aufs Dach, befasste sich mit den Ziegeln und entdeckte plötzlich entdeckte ein Wespennest. – Ach!
Das Wespenvolk fand’s gar nicht amüsant.
»Wer uns aus dem Neste treibt«, hieß die Devise an jenem Morgen, »muss sehen, wo er ungestochen bleibt!«
Pauls Adrenalin vermehrte sich.
War das Schuld oder sein Übergewicht? Oder war’s das altersschwache Dach, mit den uralten Balken? Eh’ eine Wespe ihre Lanze ergriff fiel Paul mit lautem Geschrei ins Schlafzimmer von Frau Stein, die sorglos am Frisiertisch saß und ihr schwarzes Haar bürstete, das in Locken über die Schultern fiel und plötzlich schneeweiß war.
Frau Stein ergriff entsetzt die Flucht vor dem drohenden Wespenheer, währen die summenden Kämpfer den Eindringling Paul kreuz und quer verfolgten.Die Wespen rächten sich Stich für Stich.
»Wer uns rücksichtslos aus dem Neste treibt«, hieß die Devise an jenem Morgen, »muss sehen, wie er ungestochen bleibt!«
Jan, Pauls Kollege, sah voller Schrecken, was sich rund ums Dach zutrug. Er hörte sein Wehklagen, und das war kein Geisterspuk. Die Dachreparatur musste warten, Paul kam ins Krankenhaus. Und Frau Stein schaufelte derweil den Schutt aus ihrem Schlafzimmer.
Inzwischen holte Jan einen Kollegen – es musste auf dem Dach
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