Tiffamy Duo Band 29
ansetzen. Doch wo wollte er landen? Unter ihnen waren keine Positionslichter zu erkennen. Sie befanden sich doch noch über dem Meer!
„Andrew!" rief sie. „Was machst du?" Erschrocken schaute sie zu ihm hinüber. „O Gott, Andrew!"
Sein Gesicht war schweißgebadet, sein Mund schmerzverzerrt. Er steuerte das Flugzeug nur noch mit einer Hand. Dann stöhnte er auf und sackte vor ihren Augen leblos in sich zusammen. Sekunden später schlug die Maschine auf dem Wasser auf. Wie ein Stein, der über die Wasseroberfläche geschleudert wird, schlingerte das Flugzeug über die Wellen.
Doch ein Stein sinkt sofort, wenn er an Geschwindigkeit verliert, ein Flugzeug nicht, jedenfalls nicht so schnell. Ein Flugzeug kann eine Weile treiben, bevor es untergeht. Und deshalb blieb Mandy genug Zeit, sich klarzumachen, was passiert war. Genug Zeit, sich und ihren Mann aus den Sicherheitsgurten zu befreien. Genug Zeit, zu versuchen, seinen schweren Körper aus dem Sitz zu zerren. Genug Zeit, verzweifelte Stoßgebete zum Himmel zu schicken, mit den Füßen gegen die verklemmte Kabinentür zu treten, zu schreien und immer wieder an dem leblosen Körper ihres Mannes zu zerren.
Doch dann war die Gnadenfrist beendet. Ein Schwall kalten Wassers drang in die Kabine, zog das kleine weiße Flugzeug nach unten und riss Mandy und ihren leblosen Mann in die Tiefe.
★
Der Ozean rund um das Große Barrierriff glitzerte vom tiefsten Indigoblau bis zum schimmerndsten Silber. Über eintausendneunhundert Kilometer lang und sechzig Stockwerke vom Meeresboden bis zur Wasseroberfläche hoch, war das Riff dem nordöstlichen Rand der australischen Küste vorgelagert. Direkt vor ihnen, nur noch wenige Minuten entfernt, lag Lady Elliot, das Taucherparadies. Freudige Erregung erfasste Daniel. Seit er vor zwanzig Jahren zum ersten mal von der Koralleninsel gehört hatte, war es sein größter Wunsch gewesen, dort einmal tauchen zu können.
Das Flugzeug legte sich in eine Kurve, so dass Daniel aus seinem Fenster nur noch den Himmel sehen konnte. Er beugte sich nach links, über Mandys Schoß, um aus ihrem Fenster einen Blick auf die Insel zu erhaschen. Als die Maschine unvermutet wieder auf geraden Kurs ging, stieß er aus Versehen gegen Mandy.
„Entschuldigen Sie", sagte er laut, um den Motorenlärm zu übertönen. „Ich ..." Abrupt hielt er inne. Mandy hatte ihn offensichtlich weder gehört noch gemerkt, dass er sie angestoßen hatte. Steif, die Hände im Schoß verkrampft, saß sie auf ihrem Sitz. Auf ihrem Gesicht glänzten winzige Schweißperlen. Erst jetzt registrierte Daniel, dass Mandy während des gesamten Fluges in dieser Haltung dagesessen und sich nicht ein einziges Mal bewegt hatte.
„Mandy?" "
Sie gab keine Antwort. Er berührte ihre Hände — und erschrak. Sie waren eiskalt.
Das kleine Flugzeug hatte keine Klimaanlage, und es war ziemlich heiß in der Kabine. Daniel wusste nicht, ob sie seine Berührung gespürt hatte. Sie zeigte nach wie vor keinerlei Reaktion. Regungslos und blass saß sie da.
Plötzlich wurde ihm klar, dass Mandy vorhin auf dem Flughafen in Bundaberg kein Theater gespielt hatte. Sie musste wirklich panische Angst gehabt haben. Er wollte die Hand ausstrecken, um ihr tröstend über den Arm zu streichen, doch dann unterdrückte er diesen Impuls. Bis jetzt war es ihr irgendwie gelungen, ihre Angst zu bewältigen. Wenn er sie nun aus ihrem tranceähnlichen Zustand herausriß, verlor sie womöglich die Kontrolle über sich. Und Komplikationen dieser Art konnte der Pilot im Augenblick nicht gebrauchen. Über der Insel blies ein heftiger Wind, und die Landebahn war kaum mehr als ein schmaler weißer Streifen zwischen den gedrungenen Casuarina-Bäumen.
Gegen den Seitenwind ansteuernd, setzte der Pilot die Maschine auf der aus Korallenkalk bestehenden Landebahn auf. Daniel wunderte sich, dass er die Geschwindigkeit so abrupt drosselte — bis er den Grund erkannte: Auf dem äußeren Teil der Rollbahn nistete eine Meerschwalben-Kolonie.
Das Flugzeug rollte wenige Meter vor den Vögeln aus. Der Pilot stellte die Motoren ab, klappte das Seitenfenster hoch und streckte sich. Der Passagier, der neben ihm saß, sprang aus der Maschine, der Pilot folgte ihm. Damit die vier Passagiere hinter ihm aussteigen konnten, musste Daniel aufstehen und seinen Sitz hochklappen. Er schaute zu Mandy hinüber. Sie rührte sich nicht.
Schnell stieg er aus, wartete, bis die vier Passagiere das Flugzeug verlassen hatten, und kletterte wieder
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