Tiffamy Duo Band 29
durfte sie nicht auf ihr Herzklopfen achten. Sie wusste inzwischen, wo die flachsten Stellen waren und wo der Boden unvermittelt abfiel. Umsichtig und konzentriert watete sie bis zum Ende des Fischteichs. Die Entfernung, die sie zurücklegen musste, betrug kaum sechs Meter, doch Mandy kam sie endlos vor. Clint hatte inzwischen gemerkt, in welcher Zwickmühle er sich befand. Er bemühte sich, wieder ins tiefere Wasser zurückzukommen, geriet dabei jedoch immer näher an die scharfen Korallen.
„Lass dich treiben!" rief Mandy ihm zu. „Ich ziehe dich herüber."
Clint hielt mit seinen Ruderbewegungen inne. Mandy betrachtete den Rest der Strecke zwischen ihr und der Korallenwand. Das Wasser würde ihr bestimmt bis zur Taille gehen, wenn nicht sogar höher. Und dabei war Clint eigentlich gar nicht in Gefahr. Wenn er einen klaren Kopf behielt, würde er sich höchstens das Knie aufschürfen.
Mandy biss sich fest auf die Unterlippe. Dann nahm sie die letzten zwei Meter in Angriff. Das warme Wasser stieg ihr bis zu den Oberschenkeln. Zentimeter um Zentimeter wagte sie sich vor. Wenn sie jetzt das Gleichgewicht verlor und hinfiel, würde ihr das Wasser über dem Kopf zusammenschlagen.
Doch sie fiel nicht, sondern bekam Clints Hand zu fassen und schaffte es, ihn langsam und vorsichtig ins tiefere Wasser zurückzuziehen. Er bedankte sich mit einem fröhlichen Winken und tauchte auf den Grund des Teiches. Nur mühsam konnte Mandy einen Schrei unterdrücken, als er ihr im Scherz etwas Wasser ins Gesicht spritzte. Danach brauchte sie ein paar Minuten, um ihr Zittern so weit unter Kontrolle zu bringen, dass sie sich wieder an den Rand des Teiches zurückbegeben konnte.
Mit Erleichterung sah sie Di die letzten Brotkrusten zerkrümeln. Vorerst war ihre Qual überstanden — bis nach dem Mittagessen, wenn neue Brotreste in der Schüssel vor der Cafeteria liegen würden. Bis dahin jedoch blieb ihr noch ein wenig Zeit, die sie mit den Kindern auf dem trockenen Land verbringen wollte.
„Wer die größte Schildkröte entdeckt, bekommt einen Schokoladenriegel!" rief Mandy.
Sofort rannten die beiden Kinder über den groben Sand und bückten sich, um Korallenstücke aufzuheben, die Wind und Wellen von dem Riff losgebrochen und an Land gespült hatten. Einige dieser Korallen hatten noch ihre ursprüngliche Farbe. Sie schimmerten tiefrot oder kastanienbraun und manchmal sogar pechschwarz. Mit der Zeit verblichen die Farben zu einem blassen Rosa, Altgold oder Schiefergrau. Die Sonne veränderte sie so lange, bis kein Farbpigment mehr übrigblieb. Auch ihre Form büßten sie ein. Die Brandung schliff sie ab und zermahlte sie zu immer kleineren Stücken, bis nichts mehr von ihnen übrigblieb als ein schimmerndes weißes Sandkorn.
Während Mandy langsam hinter den Kindern herging, zwang sie sich, aufs Meer hinauszuschauen. Das tiefe Blau, in dem das Wasser noch am Morgen geschimmert hatte, war einer Reihe von Grautönen gewichen. Dieselbe Veränderung war auch mit dem Himmel vorgegangen. Ein feiner Wolkenschleier lag vor der Sonne. Die Luftfeuchtigkeit, die ohnehin schon sehr hoch war, hatte sich zu einer drückenden Schwüle verdichtet. Wolkenbänke türmten sich am Horizont auf und zogen vom Festland her zur Insel hinüber.
Schließlich schlug Mandy vor, nun ihre Korallenburg zu bauen.
Während sie zusammen daran arbeiteten, musste Mandy endlos viele Fragen beantworten. Die Kinder wollten alles über die Meerestiere wissen, die einmal in den komplizierten Korallenstrukturen gelebt hatten. Sie beschrieb die Unterschiede zwischen Schwämmen und Seepferdchen, Schnecken und Korallen, Fischen und Menschen, und sie erklärte, dass das Riff aus den gleichen Korallen bestand wie ihre Burg. Mit der Zeit waren die Riff-Korallen von dem Gewicht immer neu hinzukommender Korallenablagerungen zusammengepresst worden. Allmählich verwandelten sich die Millionen winzigster Strukturen in Kalkstein. Und so entstand nicht nur das große Barrierriff, sondern auch Atolle wie die Insel Lady Elliot.
„Die Felsen am anderen Ende der Insel waren einmal Korallen?" fragte Clint erstaunt.
Mandy nickte.
„Wirklich? Woher wissen Sie das alles?"
„Aus der Schule."
Clint seufzte. „Ich würde auch gern in eine Yankee-Schule gehen. Bei uns lernt man nur das Alphabet und ein paar Worte. Und dann lassen sie einen mit Farben rumschmieren."
„Wir mussten in der Schule auch malen", sagte Mandy. „Aber wenn du erst einmal lesen kannst..."
„Ich kann lesen",
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