Tiffany Duo 134
gelernt haben? Vielleicht in Kairo? Sie wusste, dass Alex Eltern dort ein Haus hatten. Er kam aus einer Welt, die sich von der, aus der sie stammte, dramatisch unterschied. Einer Welt mit Hausangestellten und Traditionen. Aus einer Welt, wo man nicht nur den Namen seines Vaters, sondern auch die seiner Vorfahren und Vorvorfahren kannte.
Nora seufzte, als sie Essensreste von einem Teller kratzte und in den Abfall warf. Alex fühlte sich hier so zu Hause, dass man leicht vergessen konnte, dass er sich in Princeton zweifellos ebenso zu Hause fühlte. Eine andere Welt, in der Tat. Sie schaute sich um. „Das war’s, Tim. Du kannst den Abfall jetzt verbuddeln.“ Tim und Lisa saßen am Tisch vor dem Zelt und spielten zäh verbissen eine Partie Romme. Eigentlich war Tim heute mit Kochen an der Reihe gewesen, aber keiner von ihnen hatte es riskieren wollen, ihren Gästen eins von Tims Essen vorzusetzen, für deren Gelingen es nie eine Garantie gab. Deshalb musste er heute den Abfall wegbringen. Da Lisa gekocht hatte, räumten Nora und DeLaney nach dem Essen auf, während Alex entschuldigt war. Die beiden Frauen legten die Kaftans ab, die sie sich für ihre Gäste übergeworfen hatten, und wandten sich dem Abwasch zu.
„Warte nicht zu lang damit“, ermahnte Nora Tim. „Die Sonne geht schon unter.“
„Ich fürchte mich nicht im Dunkeln.“
„Die Schakale auch nicht. Du willst doch sicher nicht, dass sie dir die Abfalltüte aus den Händen reißen.“ In Wirklichkeit waren die Schakale ziemlich ängstlich. Aber Tim auch.
„Schon gut.“ Tim rutschte mit seinem Stuhl zurück. „Aber passt auf, dass Lisa mir nicht in die Karten schaut, während ich weg bin. DeLaney, du wirkst wirklich ungeheuer weiblich mit den Händen im Spülwasser. Das gefällt mir.“
Das brachte DeLaney natürlich sofort auf die Palme. Sie hielt eine kurze flammende Emanzipationsrede, die ihn veranlasste, sie unterm Kinn zu kitzeln und ihr zu sagen, wie süß er sie fand, wenn sie so wütend war.
Als er fröhlich pfeifend das Zelt verließ, war sein T-Shirt nass von dem Spüllappen, den sie nach ihm geworfen hatte.
Wenig später machte sich Nora wie jeden Abend auf den Weg zur Dusche. Das gleichmäßige Surren des Generators war das einzige Geräusch in der Stille. Die Luft war unbewegt und warm. Der Himmel im Westen war blutrot, und der Abendstern stand eine Handbreit über dem östlichen Horizont, der sich bereits violett verfärbte.
Oh, ich liebe es hier, dachte sie, während sie tief durchatmete. Wie glücklich sich Alex doch schätzen konnte, dass er einen so großen Teil seiner Kindheit hier verbracht hatte. Sie unterdrückte einen Anflug von Neid.
„Oh!“
Ein Mann verstellte ihr den Weg. „Entschuldigung, Miss Nora. Kann ich Sie kurz sprechen?“
„Ahmed! Sie haben mich erschreckt.“ Sie presste ihre Hand auf ihr Herz, das wie wild geworden in ihrer Brust hüpfte. Ahmed und Gamal blieben gewöhnlich für sich, besonders bei den Mahlzeiten. Sich beim Essen zu unterhalten war ihnen ebenso fremd wie der Gedanke, mit unverheirateten Frauen an einem Tisch zu sitzen. „Stimmt was nicht?“
„Ich möchte Sie warnen.“
Ahmeds Englisch war ganz annehmbar, aber er hatte einen starken Akzent. „Warnen? Wovor denn?“
Er trat näher an sie heran und senkte seine Stimme. „Sie sollen das über diesen Mann wissen, Ilehnisa Nora. Das ist Farid Ibn Kareem.“
„Was meinen Sie damit?“
„Er ist ein Verbrecher. Ein Schmuggler und Dieb. Das weiß in Port Said jeder. Farid ist dort ein sehr bekannter Mann, er ist reich, aber auch gefürchtet.
Ihr Herz klopfte immer noch schnell, aber jetzt nicht mehr aus Angst um sich selbst. „Er ist mit Alex und diesen beiden Männern da draußen.“
Ahmed zuckte die Schultern. „Ich denke, Mr. Bok kennt diesen Mann gut. Wenn er keine Gefahr sieht, dann gibt es auch keine Gefahr. Für ihn.“
„Aber ... warum erzählen Sie es mir dann?“
„Was ist, wenn er etwas von dem Schatz erfährt, nach dem Sie suchen? Dann stiehlt er ihn vielleicht.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ahmed, wahrscheinlich finden wir ja gar keinen Schatz, nicht so wie Sie denken, jedenfalls.“ Für geraubte Kunstschätze gab es immer einen Markt, doch sie erwartete nicht, dass sie irgendetwas finden würden, wofür sich Farid interessieren könnte - falls er sich überhaupt für etwas in der Art interessierte. „Natürlich hoffe ich, dass wir etwas finden, aber wenn, dann ist es nur für Forschungszwecke
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