Tiffany Duo 40
dass
Oliver sich jedes Mal zurückgezogen hatte, wenn ihm aufgefallen war, dass er sich
ihr genähert hatte. Offensichtlich wollte er keine Verwicklung. Dennoch hat er mich
gefragt, ob wir uns wieder treffen können, dachte sie. Dieser Widerspruch ergab
irgendwie keinen Sinn. Oliver Kellogg ist ein vollkommen verwirrender Mann,
entschied sie, beendete das Frühstück und wollte gerade unter die Dusche gehen,
als das Läuten des Telefons sie aufhielt. Es war Samuel Wellmann.
»Ich habe gestern den ganzen Tag versucht, Sie zu erreichen, Miss Weston.« Die
Worte sprudelten mit der für Wellmann typischen Energie aus ihm heraus.
»Ich war gestern nicht in der Stadt.«
»Dann fällt mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte schon befürchtet, Sie hätten sich an einen anderen Makler gewandt.«
Claire lachte. »Nein, Mr. Wellmann. Ich bin sicher, dass Sie die geeigneten Räume
für das Büro finden.«
»Gut. Gut! Ich habe nämlich ein paar reizende Büros, die ich Ihnen heute zeigen
möchte. Kann ich Sie in einer Stunde abholen?«
Claire wollte schon vorschlagen, diesmal ein Taxi zu nehmen, aber sie fürchtete, er
könnte den Grund erraten und beleidigt sein.
»Das passt mir gut«, erwiderte sie. Zur Not kann ich ja die Augen zumachen, fügte
sie in Gedanken hinzu.
Zwei Häuserblocks weiter trank Oliver seinen dritten Becher Kaffee und rauchte
bereits die zweite Zigarette. Dabei schritt er ruhelos im Zimmer auf und ab. Claire
Weston ging ihm nicht aus dem Kopf. Er durfte nicht vergessen, wer sie war und
warum er ihr nach Israel gefolgt war. Er durfte einfach die Möglichkeit nicht außer
acht lassen, dass ihre Berufung zur Leiterin der Firmenniederlassung im Nahen
Osten eine Anerkennung für ihre Loyalität der Firma gegenüber weit über das
normale Maß hinaus war. Schließlich war sie noch sehr jung für eine verantwortliche
Position. Nur hatte er sie in der Zeit, die er mit ihr verbracht hatte, als einen
ehrlichen Menschen kennen gelernt, und über die Wiamcynschäden Ruhe zu
bewahren war eine unehrenhafte Sache, Loyalität hin oder her. Oliver fragte sich, ob seine Zuneigung zu Claire seine Wahrnehmung schon getrübt hatte.
Aber da gab es noch die andere Möglichkeit, nämlich dass ihr Gedächtnisverlust
alles, was sie über Wiamcyn wusste, ausgelöscht hatte. Er trank den letzten Rest
Kaffee, stellte den Becher zurück und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.
Auf jeden Fall musste er in ihrer Nähe und dennoch gefühlsmäßig unbeteiligt
bleiben. Nur so konnte er die Wahrheit aufdecken.
Daran hatte er letzte Nacht gedacht, als er sie gefragt hatte, ob
sie sich wiedersehen würden. Aber auch an ihren schmiegsamen Körper, ihre
verführerischen Lippen und das Gefühl ihres seidigen rotbraunen Haars in seinen
Händen. Nur mit Mühe schaffte er es, seine Gedanken beiseite zu schieben. In
seiner Vorstellung hatte er sie schon ausgezogen und jeden Zentimeter ihres
Körpers erkundet.
Oliver seufzte und zündete sich eine neue Zigarette an. Die verblüffende Faszination für diese Frau war nicht nur rein körperlich. Er kannte eine Menge schöner Frauen,
aber keine hatte ihn so stark angezogen wie Claire. Nein, er mochte den Menschen
Claire Weston, den er nach und nach kennen lernte, ihre Warmherzigkeit, ihre
Energie, ihre Intelligenz, die Verletzlichkeit und auch ihre Leidenschaftlichkeit, die ein Teil von ihr war, wie er instinktiv spürte.
Oliver gab einen spöttischen Laut von sich und zog an der Zigarette. Du hast
gewusst, dass es schwierig werden würde, ihr Vertrauen zu gewinnen und
herauszufinden, wie tief sie in dieser Wiamcynsache drinsteckt, sagte er sich. Er war sich vollkommen sicher, dass es eine Verschleierung gab, auch wenn er keine
konkreten Beweise dafür hatte. Nenn es Instinkt! In der Vergangenheit hatte er sich
auf seine Instinkte verlassen können. Aber er hatte nicht erwartet, dass der Job
durch seine eigenen Gefühle noch komplizierter werden würde. Claire entsprach so
sehr seinem Idealbild einer Frau, dass es ihn fast körperlich schmerzte. Er wollte sie entschuldigen und schützen, sogar ohne zu wissen, was sie verbarg.
Dann fiel ihm seine Schwester Janet ein, die in einem Rollstuhl saß und vielleicht für den Rest ihres Lebens daran gefesselt sein würde und nie mit ihrem Sohn Michael
würde herumtoben können. Als er daran dachte, verfinsterte sich seine Miene. Er
war hier wegen Janet, und das würde er nicht vergessen.
Er schaute auf die
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