Tiffany Duo 48
wurden."
"Zehntausend Dollar rechtfertigen doch wohl kaum einen Mord, Sybil."
"Im Jahre 1936 schon."
"1936?" rief Nicholas. "Sie meinen, mich sollte ein Mord beunruhigen, der hier vor mehr als fünfzig Jahren begangen worden ist? Oder wollen Sie mir etwa
weismachen, daß sein Geist hier herumspukt?"
"Niemand hat je einen Geist zu Gesicht bekommen", verteidigte sie sich unwirsch.
"Aber eine ungute Aura umgibt dieses Haus, eine höchst ungute sogar. Niemand
bleibt sehr lange hier."
"Das werde ich auch nicht. Nur sechs Wochen, dann bin ich wieder weg. Ein Glück, daß ich nicht sehr sensibel bin, Sybil. Sonst würde ich vielleicht eines Nachts in Ihr Schlafzimmer gestürmt kommen, weil ich mich von John Blacks Geist verfolgt fühle!"
"Versuchen Sie's doch!" fuhr sie ihn an und entwand sich seinem Griff.
"Ist das eine Einladung?" Er spielte mit dem Gedanken, sie wieder an sich zu ziehen, aber wenn er sie jetzt küßte, würde sie ihn wahrscheinlich ohrfeigen.
"Nein, das ist eine versteckte Drohung. Ich habe sechs Hunde und sie alle auf Angriff abgerichtet." Sie ging zur Tür. "Ich fahre jetzt zurück zur Arbeit. Wenn Sie etwas brauchen, das Telefon ist in der Küche. Rufen Sie jemand anderen an."
"Jawohl, Ma'am", erwiderte er übertrieben unterwürfig. "Auf bald, werte Nachbarin!"
Sybil riß wütend die Haustür auf und stürmte nach draußen. Nicholas blieb in der
offenen Tür stehen und sah ihr nach. Ein nachdenklicher Ausdruck trat in seine
topasfarbenen Augen. Dann ging er zurück in sein Spukhaus und schloß die Tür
hinter sich.
3. KAPITEL
Sybil stellte fest, daß dieser Tag entschieden zu lang gewesen war, während sie die
schmale Uferstraße zu ihrem Haus entlangfuhr. Zuerst eine schlaflose Nacht, dann
das ständige Zusammensein mit Nicholas Fitzsimmons und anschließend noch eine
Standpauke von Leona, die dadurch noch schlimmer wurde, weil sie so gut gemeint
war. Dazu kam, daß Sybil erst zuviel Kaffee und hinterher zuviel Pfeffermintztee
getrunken hatte, so daß jetzt sowohl ihr Magen, als auch ihre Nerven streikten. Sie
sehnte sich nur noch danach, den Ofen einzuheizen, sich ein großes Glas Brandy
einzuschenken und ins Bett zu gehen. Neben ihrem Bett türmte sich ein großer
Stapel Bücher, der jedesmal umzukippen drohte, wenn sie schlafen ging. Die
Auswahl an Lesestoff war groß, von Pendeltechniken, Auras, Geheimnissen der
Pyramiden, bis hin zu magischen Kristallen und Runen. Dennoch hatte sie das
Bedürfnis, unter ihrem Bett nachzusehen, ob dort nicht irge ndwo noch ein Krimi
lag.
Sie versuchte, in eine andere Richtung zu sehen, als sie an der Black Farm
vorbeikam, aber die Neugier war doch stärker. Sie entdeckte den Jaguar vor dem
Haus und eine weiße Rauchwolke, die aus dem Schornstein in den nächtlichen
Himmel stieg. Offenbar war Nicholas auch ohne die weitere Hilfe zurechtgekommen,
die sie ihm eigentlich hätte anbieten müssen. Den Lebensmittelladen würde er
bestimmt mühelos finden, und wenn ihm dort die Auswahl zu gering war, so gab es
in Hardwick auch noch einen Supermarkt. Die Spirituosenhandlung war nur zehn
Meilen entfernt, und es war klar, daß der Mann wußte, wie man einen Ofen
einheizte. Sie hatte also absolut keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben.
Ihr eigenes Haus lag nur eine halbe Meile von Nicks entfernt, und nicht anderthalb
Meilen, wie sie ihm gesagt hatte. Dennoch war ihr der Weg noch nie so lang
vorgekommen. Sie gab Gas und schlitterte in ihre Zufahrt. Um ein Haar hätte sie den
kleinen Honda übersehen, der dort geparkt stand.
Sybils Haus war hell erleuchtet, und jemand hatte bereits Feuer im Ofen gemacht.
Die Haustür ging auf, und Dulcys schlanke Gestalt zeichnete sich vor dem hellen
Dielenlicht ab. Die Horde Killerhunde schoß laut bellend an ihr vorbei ins Freie.
Sybil konnte gerade noch rechtzeitig aus ihrem Wagen steigen, ehe vierundzwanzig
Hundepfoten noch mehr Schaden an dem ohnehin schon etwas ramponierten Lack
anrichteten. Die Spaniel sprangen an ihr hoch, leckten über ihre Hände und ihr
Gesicht und jaulten begeistert und in den höchsten Tönen über ihre Rückkehr. Die
vier Welpen entdeckten Sybils Schal als aufregendes neues Spielzeug, noch ehe sie
es verhindern konnte, hatten sie ihn ihr von den Schultern gezogen und balgten sich
nun darum. Sie versuchte ihn zu retten, rutschte aus und blieb eine Weile
schweratmend im Schnee liegen.
"Wie gut, daß ich noch da bin", stellte Dulcy trocken fest. "Sonst
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