Tiffany Duo 48
schnell
wieder fallen. Zum einen war sie in der vergangenen Nacht genauso schnell
gefahren. Zum anderen hielt er sie nicht für so durchtrieben.
Je länger er jedoch auf den schmalen, vereisten Straßen hinter ihr her fuhr, desto
klarer wurde ihm der eigentliche Grund für ihr Fahrverhalten.
Sie war eine miserable Autofahrerin. Aufgrund seines neuen Vorsatzes, taktvoll zu
sein, beschloß er, diese Tatsache mit keinem Wort zu erwähnen.
"Wissen Sie, Sie sind eine entsetzlich schlechte Fahrerin", sagte Nicholas, als er aus seinem Wagen stieg.
Nach einer langen, kurvenreichen Straße hatten sie schließlich vor einem recht
großen roten Schindelhaus angehalten. Die Scheune daneben war in ebenso gutem
Zustand wie das Wohnhaus, wesentlich gepflegter als die meisten der Farmen, an
denen er bisher schon vorbeigekommen war. Offensichtlich war die Familie Black
nicht so stark von der
Wirtschaftskrise betroffen worden wie die meisten anderen Farmer.
Sybil betrachtete das alte Haus geistesabwesend, und Nick wartete auf ihre
Verteidigung. "Ich weiß", meinte sie, noch immer zerstreut. "Deshalb habe ich auch einen Wagen mit Allradantrieb, so komme ich wenigstens immer gut aus den
Schneewehen heraus, in die ich hineinrutsche." Sie griff in die Manteltasche und brachte einen Schlüsselbund zum Vorschein.
"Da ich mich nicht für einen schlechten Fahrer halte, werde ich hier wohl mit dem Jaguar gut zurechtkommen", stellte er fest.
"Vielleicht."
"Was haben Sie eigentlich gegen meinen Wagen? Die meisten Menschen finden ihn
sehr schön."
"Mein Exmann hatte so einen", erwiderte sie mürrisch.
"Aha."
"Nichts 'aha'!" fauchte sie. "Colins Jaguar war ein wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit. Jaguare pflegen stets eine solch wichtige Rolle zu spielen, und ich
nehme an, bei Ihnen ist das nicht anders. Der Wagen an sich ist wirklich sehr schön,
ich mag bloß seine Besitzer nicht."
Ein Exmann also, dachte er, das erklärt manches. "Was wäre, wenn ich Ihnen sagte, daß ich im Grunde kein klassischer Jaguarfahrer bin?" fragte Nicholas plötzlich.
"Wenn ich Ihnen verriete, daß ich ihn ganz spontan gekauft habe, um mich etwas
aufzuheitern?''
"Dann käme es ganz darauf an, was für einen Wagen Sie sonst gefahren haben", antwortete sie und schenkte ihm zum ersten Mal ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
"Einen Plymouth Valiant, Baujahr 1963."
Vor lauter Überraschung öffnete sie den Mund. Es war ein sehr hübscher Mund mit
schönen weißen Zähnen, und einen Moment lang überlegte Nicholas, ob er die
Situation ausnutzen und Sybil küssen sollte. Da begann sie zu lächeln, und Nicholas
war, als stiegen die frostigen Temperaturen an diesem Wintermorgen mit einemmal
um einige Grad an. Er konnte förmlich spüren, wie die Wärme ihres Lächelns ihn
einzuhüllen begann. "Welche Farbe hatte Ihr Valiant denn?"
"Gold."
"Meiner war hellblau." Sie seufzte wehmütig. "Kommen Sie mit und sehen Sie sich an, wo Sie die nächsten sechs Wochen verbringen werden."
Er trat hinter sie, als sie mit den Schlüsseln herumhantierte. "Ich hätte nicht
gedacht, daß die Leute hier ihre Häuser abschließen."
"Oh, doch, wenn sie unbewohnt sind, schließen wir sie schon ab. Es gibt hier so viele finstere Gesellen, die die Sommerhäuser plündern und dann die wertvolleren
Gegenstände in den Großstädten verkaufen."
"In den Großstädten?"
"Ja, in Boston oder New York. Obwohl... Warum man sich die Mühe gibt, dieses
Haus hier abzuschließen ..." Sie sprach nicht zu Ende, als die Tür aufschwang und den Weg in eine altmodische Diele freigab.
"Was meinen Sie damit? Warum sollte man dieses Haus nicht abschließen?"
erkundigte er sich mißtrauisch.
Man merkte Sybil Richardson sofort an, wenn sie log. Ihre Wangen röteten sich, in
ihre braunen Augen trat ein nervöser Ausdruck, und ihre Stimme klang hoch und
etwas atemlos. "Kein besonderer Grund", schwindelte sie. "Machen Sie bitte die Tür zu, dann führe ich Sie herum."
Er tat, was sie verlangte, und nahm sich viel Zeit. Er würde Sybil ohnehin nicht zu
Leona zurückkehren lassen, ehe er nicht genau wußte, warum niemand in die Black
Farm einbrechen würde. Während er sich umsah, stellte er fest, daß es nicht daran
liegen konnte, daß es hier nichts Wertvolles zu stehlen gab. Das Haus war in bestem
Zustand, in den letzten zwanzig Jahren war es mit wesentlich mehr Geschmack
renoviert worden als das
Haus der Appletons. Da gab es ein großes Wohnzimmer mit seidig
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