Tiffany Duo 48
werden. Ich bin sicher, das liegt nur an
meiner Anspannung und am Schlafmangel. Aber trotzdem, solche Abgründe hätte
ich bei mir gar nicht vermutet."
Sie konnte förmlich das Lächeln aus Dulcys Stimme heraushören. "Ich weiß, was du brauchst. Setz schon mal Kaffee auf, in einer halben Stunde bin ich bei dir."
"Danke." Sybil seufzte erleichtert auf. "Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann."
Dulcy lachte leise. "Das kannst du bestimmt, liebste Freundin. Ich habe genau das Richtige für dich."
5. KAPITEL
Dulcy brauchte nicht lange. Der Kaffee war gerade fertig, und Sybil hatte sich schon
Jeans und ein Sweaishirt angezogen und die Hunde nach draußen gelassen. Der
Ofen strahlte eine Wärme aus, die leicht für zwei Häuser gereicht hätte, und alle
Träume der vergangenen Nacht kamen Sybil inzwischen vor wie ein paar weit
zurückliegende geistige Verirrungen. Bis sie sie wieder in Erinnerung rief. Da wurde
ihr plötzlich erneut heiß und kalt.
Dulcy trug lavendelfarbene, wehende Gewänder, die wie immer ihre unirdische
Zartheit betonten. Dieser unirdische Eindruck jedoch verflog in dem Moment, als sie
ihre große bunte Tasche auf Sybils Küchentisch abstellte.
"Schenk mir bitte etwas Kaffee ein, bat sie, während sie ihren Umhang ablegte und in den Tiefen ihrer Tasche zu suchen begann. "Ich bereite inzwischen alles vor. Dabei kannst du mir dann auch gleich die Einzelheiten von gestern abend erzählen."
Sybil stand schon mit der Kaffeekanne da. "Es gibt keine Einzelheiten. Wußtest du, was Nick im Schilde führte, als er dich um die Kräuter bat?"
Lächelnd holte Dulcy ein paar Plastiktüten zum Vorschein. "Das war doch
sonnenklar. Hast du denn nicht durchschaut, worauf er hinaus wollte?"
"Danke für das versteckte Kompliment, so dumm bin ich nun auch wieder nicht. Ich wußte genau, was er mir da zu trinken gab."
"Warum hast du es dann nicht abgelehnt?" Sie nahm Sybil die hölzerne Schale aus der Hand und begann, Kräuter darin zu mischen.
"Weil mir klar war, daß es ohnehin nicht wirken würde."
"Und weshalb bin ich dann hier, um Viertel vor acht an einem Samstagmorgen, und
mische Kräuter?"
Sybil ließ sich mit düsterer Miene auf einen Stuhl fallen und begutachtete die rasch
größer werdende Kräutermenge in der Schale. "Weil ich so leichtgläubig bin. Das
weißt du so gut wie ich. Mein Verstand sagt mir, daß das alles lächerlich ist, aber
irgendwie will mein Unterbewußtsein nicht so recht darauf hören."
"Ja, das Unterbewußtsein hat eine erstaunliche Macht", stimmte Dulcy zu. Sie trank einen Schluck Kaffee und goß anschließend einen ordentlichen Schuß davon in die
hölzerne Schale.
Dulcys Gegenmittel schmeckt nicht einen Deut besser als Nicks widerliches Gebräu,
dachte Sybil, während sie gehorsam ein Glas davon trank. Es schmeckte aber auch
nicht schlechter. Genau betrachtet, schmeckte es eigentlich exakt gleich. Sybil sah
ihre Freundin an. Dulcy saß auf einem der Küchenstühle, hielt den Kaffeebecher in
ihren langen, schlanken Fingern und machte ein verschmitztes Gesicht. "Bist du
sicher, daß das das richtige Gegenmittel ist?"
Aber natürlich! Das entsprechende Gegenmittel zu dem Liebestrank aus dem
ungarischen Zauberbuch ist einfach ein ganz andersartiger Liebestrank. Ich habe dir
eine Rezeptur aus dem englischen Zauberbuch zubereitet. Mir ist klar, daß das hier
wesentlich schlechter schmeckt als der gute, nach Zitronen schmeckende Trank, den
Nick dir vorgesetzt hat. Aber eine schlechtschmeckende Medizin wirkt meist auch
besser."
Sybil hatte den Worten ihrer Freundin mit wachsendem Entsetzen zugehört. "Dulcy, er hat mir keinen leckeren Zitronentrank gegeben!"
Ihre Freundin setzte vorsichtig die Kaffeetasse ab und sah Sybil aus blauen Augen
interessiert an. "Was meinst du damit?"
"Er hat mir etwas eingeflößt, das haargenau so schmeckte wie dein Gegenmittel."
Dulcy lehnte sich zurück, ihre Miene wirkte betroffen. Dennoch war Sybil sich nicht
ganz sicher, ob sie nicht auch einen Anflug von Belustigung auf ihren Zügen
entdeckte. "Ach, du Schreck."
"Was soll das heißen, ach du Schreck?"
"Ich habe dir das falsche Gegenmittel gegeben."
"Ich wußte es doch!" rief Sybil. "Das Ganze kam mir gleich viel zu einfach vor! Hast du denn aus den Zutaten, die Nick gestern von dir verlangte, nicht entnehmen
können, daß es sich hierbei um ein und dasselbe Getränk handeln mußte?"
Dulcy zuckte die Schultern. "Ich habe nicht so genau aufgepaßt.
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