Tiffany Duo 48
Ich war überzeugt, er hätte das ungarische Buch mit nach Hause genommen. Es ist so viel interessanter
als das englische."
"Es war das englische, Dulcy." Sybil schenkte sich ihre dritte Tasse Kaffee ein, teils, um den schlechten Geschmack des Tranks loszuwerden, teils, um sich Mut für alles
Weitere zu machen. "Hast du die nötigen Zutaten für den ungarischen Trank dabei?"
"Warum sollte ich?"
"Für ein Gegenmittel", erklärte Sybil geduldig. "Wenn der englische Trank die Wirkung des ungarischen aufhebt, dann muß das doch sicher auch umgekehrt..."
Dulcy unterbrach sie kopfschüttelnd. "Tut mir leid."
"Aber dir muß doch irgend etwas einfallen!"
"Ich sage dir das nur sehr ungern, Liebes, aber ich kann nichts tun. Mit einer Dosis Liebeselixier werde ich gerade noch fertig, aber bei der doppelten Menge bin ich
überfordert."
"Toll", grollte Sybil.
"Sieh es doch mal so - du glaubst ja gar nicht ernsthaft an die Wirkung dieses Zeugs.
Benutz doch deinen Verstand. Ein Glas ekelhaft schmeckenden Kräutertranks wird
dich nicht in Nick verliebt machen. Nicht, wenn du es nicht selbst willst."
"Ich will es auch nicht!"
"Natürlich nicht", beruhigte Dulcy sie. "Du könntest ein wenig meditieren und dich geistig mit einer heilen blauen Aura umgeben. Nein, warte, so gut ist diese Idee gar
nicht."
"Warum nicht? Das hört sich doch ganz ausgezeichnet an?"
"Wenn du dich mit einer heilenden Aura umgibst, verstärkt das den Effekt
womöglich noch. Denn wer sagt dir, daß dein Verlangen nach Nicholas Fitzsimmons
nicht ohnehin schon das Heilsamste ist, was dir passieren kann?"
"Ich sage das!" brauste Sybil auf und beschloß, es auf gar keinen Fall mit Meditation zu versuchen.
"Kopf hoch, Sybil. Wir beide wissen doch, daß das alles nicht wirklich funktioniert.
Und dann sieh doch mal das Gute an der Sache. Du bist wenigstens nicht so schlimm
dran wie Mary Philbert."
Schlagartig vergaß Sybil alles, was mit Zauberei zu tun hatte. Eine unheilvolle
Vorahnung stieg in ihr auf. "Was ist mit Mary Philbert?"
"Ihr ist dasselbe passiert wie schon zu vielen Leuten hier. Sie hat alle ihre Ersparnisse verloren."
"Wie?" Sybils Stimme klang heiser und krächzend.
"Sie hat wohl irgendwie schlecht investiert. Die Einzelheiten kenne ich auch nicht, aber es sieht so aus, als sei sie ein weiteres Opfer."
"Ein Opfer?" wiederholte Sybil.
"Ja, der schlechten Wirtschaftslage. Oder hast du etwa gedacht, das Opfer eines
anderen Menschen?" erkundigte Dulcy sich, hellhörig geworden.
"Nein, selbstverständlich nicht."
"Welch schreckliche, zufallhafte Zusammenhänge."
"Dulcy, so etwas passiert überall hier im Land."
"Ja, aber bei uns passiert es ein wenig zu oft. Ich werde sie nachher besuchen, um zu sehen, ob ich ihr irgendwie behilflich sein kann. Vielleicht hat sie ja nicht nur
einfaches Pech gehabt, vielleicht steckt doch eine Art Betrug dahinter. Das will ich
nachprüfen."
Sybil setzte ihre Kaffeetasse ab. "Ich begleite dich. Ich hatte für heute ohnehin noch nichts vor, und Mary mochte ich schon immer besonders gern."
"Sie ist ein Schatz. Wenigstens sind die anderen alten Damen alle in der Nähe. Die meisten haben Ähnliches durchgemacht, so daß sie Marys Kummer gut
nachvollziehen und ihr beistehen können. Ein Jammer, daß Leona nicht da ist."
"Ach, nein?"
"Sie und Mary waren gestern in New Hampshire, und da muß ihr offenbar etwas
dazwischengekommen sein. Sie hat Mary zurückgebracht und ist dann gleich weiter
nach Burlington gefahren. Irgend etwas war mit ihren Investitionen dort. Wollen wir
hoffen, daß sie nicht das nächste Opfer ist."
"Ja, hoffentlich nicht", murmelte Sybil. Sie war nicht ganz überzeugt, ob sie es wirklich so meinte. Es war zwar ein schrecklicher Schlag, wenn man seine ganzen
Ersparnisse verlor, wenn Leona allerdings dieses Schicksal ereilte, dann war sie
zumindest über jeden Verdacht erhaben.
Wobei niemand einen Verdacht Leona gegenüber hatte, außer diesem schrecklichen
Nick. Nicht einmal Dulcy, die sonst die stärksten Vorbehalte in Bezug auf Leona
hatte, traute ihr so
etwas zu.
***
"Ich gebe zu, das alles hört sich wirklich sehr verdächtig an, Nick, aber ich weiß
nicht, wie ich dir behilflich sein könnte", ertönte Rays Stimme mit dem breiten
Bostoner Akzent am anderen Ende der Leitung. "Ich bin nur Polizeibeamter beim
Sittendezernat von Boston, meine Befugnisse reichen nicht bis nach Vermont."
"Du sollst hier ja auch nicht aktiv werden, Ray, ich bitte dich nur um
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