Tiffany Duo 48
nicht heute, dann würde sie eben morgen fliehen.
Im Erdgeschoß durchsuchte sie sämtliche Räume nach einem Telefon, aber obwohl
sie eine Anschlußdose fand, gab es keinen Apparat. Anscheinend hatte Don an alles
gedacht. Im Wohnzimmer entdeckte sie in einem Schrankfach einen Fernseher und
dachte sofort an ihren Job. Was würde geschehen, wenn sie morgen früh nicht
pünktlich beim Sender erschien?
Sie drehte am Einschaltknopf, doch nichts geschah. Dann sah sie, daß die
Anschlußkabel aus dem Apparat heraushingen.
Die Sorge um ihren Job war allerdings zweitrangig. Viel wichtiger war es für sie jetzt, einen Fluchtweg zu finden. Wenn sie erst wieder in die Stadt kam, würde sie selbst
nachprüfen, wie ernst sie Teds Warnung nehmen mußte, und nach Whispering Hills
fahren, um mit Dr. Henshaw zu sprechen.
Mit neuer Kraft suchte sie weiter. In der Speisekammer fand sie eine Taschenlampe
und eine Armeejacke. Nicht sehr elegant oder bequem, aber immerhin wärmend,
falls sie zu Fuß los mußte. Die Vorstellung, nachts durch den Wald zu laufen, machte
ihr allerdings Angst, obwohl es Don recht geschehen würde, am Morgen zu
entdecken, daß sie verschwunden war.
Die Taschenlampe und die Jacke ließ sie, wo sie sich befanden, und ging die Treppe
hinauf. In Dons Zimmer brannte immer noch Licht, unter der Tür war ein heller
Schimmer zu sehen. Sie machte sich nicht die Mühe anzuklopfen, sondern öffnete
einfach die Tür. Don lag nur mit Jeans bekleidet auf dem
Bett, fast, als habe er auf sie gewartet.
***
Den Kopf hatte Don gegen zwei Kissen gelehnt, und seine grauen Augen funkelten.
Die Brust war von dichtem dunklen Haar bedeckt, das sich in einem schmalen
Streifen über seinen flachen muskulösen Bauch erstreckte und aufreizend unter
dem Hosenbund verschwand.
Kaylie brachte kein Wort heraus und zwang sich, ihm ins Gesicht zu schauen. Don
lächelte, und seine weißen Zähne hoben sich von den dunklen Bartstoppeln ab.
"Dein Zimmer ist rechts von der Treppe, schon vergessen?" Er schmunzelte. "Es sei denn, du möchtest die Nacht bei mir verbringen."
Der Schäferhund neben dem Bett hob den Kopf und neigte ihn zur Seite, als würde
er Kaylie abschätzen.
Sie blickte wieder zu Don. "Ich möchte mein Leben selbst bestimmen."
Er streckte den Arm zur Lampe und schaltete sie aus. "Du hast die Wahl", sagte er im Dunkeln. "Hier", dabei klopfte er auf sein Bett, "oder im Zimmer gegenüber."
"Ich habe einen Job..."
"Daran läßt sich nichts ändern."
"Sie werden mich vermissen."
Er lachte leise, als wisse er mehr als sie. "Alan wird begeistert sein, wenn er aller Welt zeigen kann, daß er nicht auf dich angewiesen ist."
"Das wirst du noch bereuen, Don", sagte sie leise und tastete im Dunkeln herum, bevor sie die Tür fand, schnell aus dem Zimmer ging und die Tür hinter sich zuschlug.
Was hatte sie sich dabei bloß gedacht, einfach in sein Zimmer zu gehen? Ihn
halbnackt auf dem Bett zu sehen, hatte sofort ihre Erinnerungen daran geweckt, wie
es war, neben ihm zu liegen, sich geborgen und geliebt zu fühlen. Der Duft von ihm,
das Gefühl, in seinen Armen zu liegen.
"Hör auf damit", befahl sie sich, als sie in ihr Zimmer ging und hinter sich die Tür schloß. Aufmerksam blickte sie sich um. Die Nachttischlampe war eingeschaltet und
hüllte die Kiefernwände in ein warmes Licht. Die handbestickte Überdecke auf dem
Doppelbett war zurückgeschlagen. "Wie umsichtig", bemerkte sie spöttisch und streifte die Sandalen ab. Barfuß ging sie umher. Der Raum war trotz aller
Schlichtheit einladend und gemütlich, doch sie konnte nicht vergessen, daß sie
entgegen ihrem Willen hier war, mochte ihr Leben auch in Gefahr sein, wie Don
immer wieder betonte.
Beim Gedanken daran, was geschehen würde, wenn sie morgen nicht im Sender
erschien, stöhnte sie auf. Es würde ein großes Chaos geben, ihr Chef würde wütend
werden, und die Telefone in ihrem Apartment in San Francisco und in ihrem Haus in
Carmel würden nicht stillstehen. Jemand würde bei ihrer Schwester Margot anrufen,
und die würde sich zu Tode ängstigen.
Und alles war Dons Schuld. Sie warf ihr Haar über die Schulter zurück und machte
aus reiner Neugier den Schrank auf. Er war randvoll mit Frauenkleider. Röcke,
Sweatshirts, Jeans und Hosen waren sorgfältig aufgehängt oder zusammengelegt.
Also bin ich nicht die erste hier, überlegte sie. Schlagartig
enttäuscht schlug sie die Schranktür zu. Sie hatte keine Zeit für
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