Tiffany Duo Band 0124
er ihre Freundlichkeit nicht überstrapazieren sollte, lechzte sein Magen nach etwas. “Ja, bitte.”
“Bueno.”
Er lächelte über ihre Versuche, seine Muttersprache zu sprechen. Wie die meisten Gringos verflachte sie die Sprache mit ihrem amerikanischen Akzent, aber es war nett von ihr, es zu versuchen. Sie verließ das Zimmer, und Alejandro legte sich in die Kissen zurück, zog die Decke noch fester um sich und schloss die Augen.
Damit sie nicht geschnappt wurden, hatte er Josefina eigenhändig im Gebüsch versteckt und war losgerannt. Bis ihn die Kugel erwischte, hatte er daran geglaubt, dass er es schaffen würde, und selbst dann war er noch weitergerannt.
Doch auch ein Streifschuss blutete wie verrückt, und durch das Rennen hatte es sich noch verschlimmert, sodass er bereits stark geschwächt gewesen war, als ihm die Idee gekommen war, die Blutung mit Grasbüscheln und Lehm zu stoppen. Es hatte ein paar Minuten gedauert, bis sein Kopf wieder klar geworden war, wobei er in der Dunkelheit den entfernten Geräuschen der Razzia gelauscht hatte. Dann war er aufgestanden und weitergerannt, in der Absicht, einen Bogen zu der Stelle zu schlagen, wo Josefina versteckt war.
In der Dunkelheit und seiner Verwirrung hatte er einen falschen Schritt gemacht und merkte, wie er durch die Dunkelheit geschleudert wurde. Es war kein Sturz aus großer Höhe, aber trotzdem war ihm vor Schmerz die Luft weggeblieben. Danach hatte er es nicht mehr geschafft aufzustehen, obwohl Josefinas Schreie laut in seinem Kopf widergehallt hatten.
Josefina. Der Gedanke, dass sie heute Nacht allein war, machte ihn ganz krank.
Die Frau kam mit einem Tablett zurück, das sie auf dem Nachttisch abstellte. Als sie sich zu ihm hinunterbeugte, spielten die weichen Strahlen der Nachttischlampe in ihrem Haar und hüllten ihren Kopf in einen silbrigen Schein, der verschwand, als sie sich aufrichtete. “Da bin ich wieder”, sagte sie.
Auf dem Tablett standen ein Teller Suppe und ein Glas Milch, daneben lag eine Stoffserviette. “Brauchen Sie Hilfe?”
Er schüttelte den Kopf, aber sie half ihm dennoch sich aufzusetzen, indem sie ihm ein großes Kissen in den Rücken stopfte. Dann stellte sie das Tablett vor ihn. Da sein Oberkörper nackt war, fröstelte er und rieb sich die Arme. “Wo ist mein Hemd?”
“Oh! Ich musste es zerschneiden. Und Ihre Jeans leider auch.” Sie drehte sich um, wie um nach seinem Hemd Ausschau zu halten, und er dachte, dass die Situation sie wohl doch mehr verunsicherte, als es anfangs den Anschein gehabt hatte. “Warten Sie, ich hole Ihnen eins.”
Sie ging und kam mit einem blauen Hemd zurück. Einem Männerhemd. War sie verheiratet? “Von Ihrem Mann?”, fragte er, während sie ihm beim Anziehen half.
“Ja”, sagte sie kurz.
“Und es macht ihm sicher nichts aus?”
Ihr Lächeln war traurig. “Nein.”
Er nickte, griff nach dem Löffel und begann zu essen. Es war genau das, was er brauchte. Nicht zu viel, aber genug, um die Leere in seinem Magen zu füllen. Er dachte an ihre Versuche, Spanisch zu sprechen, und sagte: “Diese … Brühe? Wir nennen es
caldo
.”
“Ah,
caldo”
, wiederholte sie. “Nicht
sopa
.”
“Suppe heißt
sopa
, Brühe
caldo
.”
“Aha. Ich verstehe.” Sie faltete ihre Hände über den Knien und lächelte. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln, und er erwiderte es.
Irgendein Ausdruck huschte über ihr Gesicht — war es Überraschung? —, und um es zu vertuschen, senkte sie kurz den Kopf. “Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?”
“Ich bin Alejandro Sosa”, sagte er. “Und ich schulde Ihnen viel,
Señora
.”
“Nein. Sie müssen Ihrem Schutzengel danken”, fügte sie, wieder lächelnd, hinzu. “Anscheinend wollte er, dass ich mich um Sie kümmere.”
“Ich werde mich revanchieren”, sagte er mit so viel Würde, wie er angesichts seines geschwächten Zustands aufbringen konnte. Plötzlich wünschte er sich, gekämmt und rasiert zu sein. “Auf welche Art und Weise Sie immer möchten.”
“Machen Sie sich keine Gedanken deswegen. Wie geht es Ihrem Magen? Rebelliert er?”
“Nein.”
“Gut. Dann …”
“Nicht
bueno
?”, fragte er leichthin.
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich wieder, sie hob den Blick, um ihn anzuschauen. Und er schaute sie an. Ihr fein gezeichnetes Gesicht, die Klarheit dieser hellen, oh, so hellen Augen, die seidigen Haarsträhnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten.
Heura
, würde man sie dort, wo er herkam, mit Bewunderung
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