Tiffany Duo Band 0133
weh. Noch mehr betrübte ihn, dass sie nie die Wahrheit über ihn herausfinden würde. Immer würde sie an ihn als an einen gewissenlosen Waffenhändler denken, der nichts als Verachtung verdiente.
Ohne lange darüber nachzudenken, zog Tiger Hope mit sich in einen Hauseingang. Dann legte er ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie gegen die Tür, um sie mit seinem Körper vor dem Regen zu schützen. Hier war es sehr dunkel, kaum konnte er ihre Züge erkennen. Aber das machte es ihm irgendwie leichter.
“Mein Name ist Michael”, flüsterte er ihr ins Ohr. Er wollte sichergehen, dass sie ihn trotz des Gewitters hören konnte. Natürlich war er gewarnt worden, keinem Menschen seine wahre Identität zu enthüllen, schon gar nicht einer Frau. Sein Vorgesetzter war der Ansicht, dass Frauen zu viel redeten.
“Ich bin Lieutenant im Geheimdienst der Marine.”
Er wusste, dass er mit dieser Enthüllung ein großes Wagnis einging, aber war das jetzt noch von Bedeutung? Es war wichtig für ihn, dass sie wusste, wer er in Wirklichkeit war.
Tiger hob den Kopf, ihre Blicke trafen sich. Erneut erhellte ein Blitz den Himmel, und für einen kurzen Moment lang war es taghell. Hope starrte ihn mit großen Augen an, ihr Mund war geöffnet, sie sah aus, als traute sie ihren Ohren nicht.
Tiger spürte ihre warme Haut unter der nassen Kleidung. Der Donner verhallte langsam.
“Michael?”, wiederholte sie erstaunt.
Er nickte. “Ja, Michael. Natürlich dürfen Sie niemandem etwas davon verraten. Dann wäre ich wirklich geliefert.” Er zog sie noch tiefer in den Hauseingang, als ein Regenschauer die beiden bis auf die Haut durchnässte. Ihre Nähe blieb nicht ohne Einfluss auf ihn, sie erregte ihn.
Ein zweiter Blitz erhellte den Himmel und enthüllte Hopes ebenmäßige Züge, ihren leicht geöffneten Mund. Tiger verschlug ihr Anblick die Sprache. Mit seiner Selbstbeherrschung war es mit einem Mal vorbei. Er konnte sie nur noch an sich ziehen und erneut küssen.
Hope hatte keine Zeit, um die Information zu verarbeiten. Von dem Moment an, als sie Tigers hungrige Lippen auf den ihren spürte, war es mit ihrer Kontrolle vorbei. Sie achtete nicht einmal darauf, dass sie bis auf die Haut durchnässt war und von Minute zu Minute nasser wurde. Alles, was zählte, war der verzehrende Kuss, der sie in das Reich der Leidenschaft entführte.
Als Tiger sich endlich schwer atmend von ihr löste, spürte er vor allem Verachtung. Verachtung für sich selbst, dass er es so weit hatte kommen lassen können. Er hatte Hopes Notsituation ausgenutzt und sich ihr aufgedrängt.
Im Gegensatz zu ihm war Hope vollkommen verwirrt. Es war alles zu viel für sie gewesen – das Martyrium der letzten Stunden, dann der Sturm, Tigers Worte, sein Kuss. Sie konnte nicht mehr klar denken, und sie wusste auch nicht, was sie von alldem halten sollte.
Doch dann erkannte sie, dass er sie die ganze Zeit über belogen hatte. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Impulsiv holte sie aus und gab ihm eine kräftige Ohrfeige. Die Geste überraschte sie selbst, denn sie hatte noch nie zuvor einen Mann geschlagen. Aber das, was er ihr gestanden hatte, war nun wirklich das Allerletzte.
“Sie haben mir etwas vorgemacht”, rief sie völlig außer sich aus. “Sie haben mich angelogen. Wie können Sie es wagen, Sie …” Erneut erhob sie die Hand, doch Tiger wehrte den nächsten Schlag ab.
“Ich habe Sie nicht angelogen! Ich habe Ihnen nicht alles gesagt, aber das ist nicht dasselbe.”
Hope nickte verbittert. “Ja, das habe ich schon einmal gehört.” Bei Mark war es genauso gewesen, und er hatte auch fast die gleichen Worte benutzt, um seinen Fehltritt ihr gegenüber zu entschuldigen.
“Und bestimmt geschah das alles nur zu meinem Besten, oder?”, setzte sie höhnisch hinzu.
“Sehr richtig.”
“Typisch Mann”, sagte sie verächtlich. “Ich glaube Ihnen nicht. Warum sollte ich auch?”
“Ganz einfach – wenn es nicht die Wahrheit wäre, wären Sie bereits tot.”
“Und was soll der Geheimdienst der Marine mit dieser ganzen Sache – Cardenas, Santiago, Ibarra, den Waffenschiebereien – zu tun haben? Können Sie mir das bitte einmal verraten.”
Tiger schüttelte den Kopf. “Nein, das kann ich leider nicht.”
“Sie wollen es nicht, das ist ein großer Unterschied.”
“Ich kann es nicht.”
“Warum haben Sie mir dann überhaupt etwas davon erzählt? Was geht es mich an, wer Sie sind oder nicht sind?”
Tigers Blick
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