Tiffany Duo Band 0142
nicht so schnell.”
Sie fand es nicht witzig. “Wie verwirrt? Erinnern Sie sich, wie Sie hierhergekommen sind?”
Serena hatte ihm gesagt, dass er verprügelt worden war, dass man ihn vielleicht hatte sterben lassen wollen. “Ja.”
“Erinnern Sie sich an den Vorfall?”
Hier konnte seine Erinnerung ruhig ein paar Lücken aufweisen. “Leider nicht sehr gut.”
“Das war zu erwarten. Sonst noch etwas, woran Sie sich nicht erinnern können?”
Er schaute ihr direkt in die Augen. “Nein.”
Sie schien ihm zu glauben und machte Notizen auf ihrem Klemmbrett, während sie ihm Routinefragen stellte. “Wie heißen Sie?”
“Sam Wallace.”
“Der zweite Vorname?”
“Ich habe keinen.” Damit hatte er sich gerade recht einfallslose Eltern zugelegt. Wie wohl seine richtigen sein würden? Würden sie sich Sorgen machen? War er ein Idiot, weil er niemandem sagte, was wirklich in ihm vorging? Natürlich war er es. Aber das hielt ihn nicht davon ab, sein Spiel fortzusetzen.
“Wann sind Sie geboren?”
Soweit er wusste, war er eine knappe halbe Stunde alt. Er wählte ein beliebiges Datum und wunderte sich, dass er Namen oder Monate und Nummern von sich geben konnte, obwohl sie keine persönliche Beziehung zu ihm hatten. “Am zweiundzwanzigsten Juni.”
“Dann haben Sie übermorgen Geburtstag. Wie alt werden Sie?”
Ach, du lieber Himmel. Er war sich nicht einmal sicher, welches Jahr es war. Er wusste nicht, wie er aussah, ob er dunkle, blonde oder graue Haare hatte – hatte er überhaupt Haare? Er fühlte sich weder alt noch jung. Er stöhnte.
Serena legte die Hand auf seine Schulter. Die Geste wirkte beschützend. “Lu Wanda, es geht ihm offensichtlich gar nicht gut. Können Sie ihm nicht helfen?”
Die Pflegerin nahm ihr Klemmbrett und meinte: “Ich hole den Arzt.”
Er war für die kleine Unterbrechung dankbar und sah Serena kläglich an, ohne sich zu schämen. “Mein Kopf explodiert gleich”, meinte er.
Sie strich eine Strähne aus seiner Stirn, die Fingerspitzen waren angenehm kühl. Er hatte also Haare.
“Entschuldigung. Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Jemand benachrichtigen?”
Natürlich konnte sie das nicht. Mit einer stillen Entschuldigung an seine Familie – falls er überhaupt eine hatte – antwortete er: “Vielen Dank, aber es gibt niemanden, den Sie anrufen könnten.”
Das Einzige, was er im Augenblick wollte, war, allein gelassen zu werden. Er musste nachdenken, die Mauer durchbrechen, die ihn von seinen Erinnerungen trennte. Er war sich sicher, dass er es schaffen könnte, doch er brauchte Zeit, um sich zu konzentrieren. Aber als sich die Tür wieder öffnete und ein kleiner vierschrötiger Mann – wahrscheinlich der Arzt, eintrat, wusste er, dass das mit der Ruhe und der Konzentration noch ein bisschen dauern würde. Er musste weiterhin sein Spiel spielen, bis sich die Nebel gelüftet hatten. Hoffentlich ehe er mit der Polizei zusammentraf! Nun ja, eins nach dem anderen …
Als der Arzt eintrat, schickte sich Serena an zu gehen. “Ich lasse Sie jetzt in Frieden; bei Doktor Frank sind Sie in guten Händen, Sam.”
Sam. Der Name war fremd und zugleich ein wenig bekannt. Könnte es sein wirklicher Name sein? “Sie gehen?”
Er wollte nicht, dass sie fortging. Vielleicht, weil sie das Erste war, das er gesehen hatte und an das er sich erinnern konnte.
“Vielleicht sehen wir uns noch einmal, bevor Sie uns verlassen”, meinte sie munter.
“Das hoffe ich”, murmelte er und merkte, wie ernst es ihm war. Im Augenblick schien sie sein einziger Freund zu sein.
Im Krankenhaus herrschte Ruhe. Die Kinder aus dem Bus waren versorgt und entlassen. Am Ende des Gangs stand Dan Meadows und redete mit einer attraktiven jungen Frau, die eifrig ihren Notizblock vollschrieb. Serena erkannte an Dans Körpersprache, dass er ziemlich genervt war. Sie entschied sich, ihn vor der Reporterin zu retten.
“Wie gesagt”, hörte sie Dan sagen, “es sind keine weiteren Untersuchungen geplant. Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen sonst noch behilflich sein könnte, aber …”
“Lindsey, ich habe dir doch gesagt, die Beamten mit Rücksicht zu behandeln”, mahnte sie Serena mit einem freundlichen Lächeln.
Ihre Angestellte grinste verschmitzt – so kannte Serena die jüngste Mitarbeiterin beim
Evening Star
. “Aber es macht doch Spaß. Könnte ich denn nicht ein wenig länger …”
“Um die gute Zusammenarbeit zwischen der Presse und der Polizei zu bewahren, ist es das Beste, dieses
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