Tiffany Duo Band 0149 (German Edition)
sie in der Hand hielt, war alles andere als kindhaft.
Wieso hatte er überhaupt hineingeschaut? Er war schließlich kein Spanner! Aber jetzt konnte er es nicht mehr ungeschehen machen. Was sollte er tun? Leise fluchend zog er sich so weit vom Fenster zurück, dass er gerade noch hineinspähen konnte, ohne jedoch von ihr entdeckt zu werden.
Was zum Teufel geht hier vor sich?
Erst entpuppte sich das Unschuldslamm als Mechanikerin, dann als Mike Lanagans Tochter und jetzt? Als Mata Hari?
Eines war sicher: Sie hatte die Pistole nicht zufällig dabei. Nein. Was sie gerade vor seinen Augen gemacht hatte, sah verdammt professionell aus. Sie hatte geladen, entsichert, gesichert und die Waffe schließlich in das Halfter um ihre Wade gesteckt. Die Stiefel, die sie daraufhin angezogen hatte, verbargen die Pistole nicht nur, sondern gaben Ellie auch die Möglichkeit, jederzeit an sie heranzukommen.
McCall erinnerte sich an das letzte und einzige Mal, dass er eine solch schockierende Entdeckung gemacht hatte. Damals war es ihm auch kalt und übel geworden. Wie enttäuscht und wütend und verängstigt er damals gewesen war! Genau wie jetzt.
Während er noch überlegte, ob er einfach hineingehen und sie auf die Waffe ansprechen sollte, holte sie etwas Weiteres aus der Tasche. Zuerst konnte er es nicht erkennen. Doch dann sah er die pinkfarbene Sonnenblende klar und deutlich. An der Seite hatte Ellie einen Reißverschluss aufgemacht und steckte etwas, das wie eine winzige Kamera oder ein Aufnahmegerät aussah, hinein. Dann machte sie den Reißverschluss wieder zu und platzierte den Sonnenschutz neben Pistole, Halfter und Stiefel, die sie allesamt inzwischen wieder abgelegt hatte.
Als Nächstes holte sie eine Uhr heraus, band sie um ihr Handgelenk und zog sie einmal in diese und einmal in die andere Richtung auf. Was war das nun wieder? Ein Kompass? Zufrieden legte sie das Ding beiseite und nahm ihre kleinen goldenen Ohrstecker ab, um sie durch wesentlich größere zu ersetzen.
McCall musste sich beherrschen, um vor Unglauben nicht laut aufzuschreien. Er stand regungslos da und bebte innerlich. Dabei sah er zu, wie sie einen dicken Umschlag aus der Tasche holte und darin befindliche Geldscheine auf den gefliesten Boden legte. Nachdenklich teilte sie das Geld auf. Die eine Hälfte steckte sie in den Umschlag zurück, während sie die andere in eine Plastiktüte wickelte und in ihren Waschbeutel tat.
Nun war anscheinend alles erledigt, denn Ellie saß einen Moment still da. Sie wirkte angespannt und erschöpft. Langsam drehte sie den Kopf hin und her, sodass McCall ihr Halbprofil erkennen konnte. Sie war blass, wirkte aber entschlossen. Während er sie beobachtete, spürte er, wie sich Gefühle in ihm ausbreiteten, die er nie wieder zu erleben gehofft hatte.
Rasch glitt er vom Spalt im Vorhang zurück. Er hatte alles gesehen, was es zu sehen gab. Als Ellie ein paar Augenblicke später auf die Veranda trat, stand er, eine Zigarette in der Hand, lässig – ein paar Schritte vom Fenster entfernt – da. Mit angespanntem Tonfall spöttelte er: “Schon fertig? Ich dachte, Sie haben Ihre Meinung geändert und sich doch für das Bett entschieden.”
“Es tut mir leid”, erwiderte sie etwas atemlos. Ist es Nervosität oder plagen sie doch Schuldgefühle, dachte er. “Ich habe mich auf morgen vorbereitet – Kleider und so. Sie wissen schon …”
Zorn breitete sich in ihm aus. Es gab so viele Dinge, die er ihr hätte sagen können. Er hätte ihr zu verstehen geben können, dass er es wusste, und ihr so die Möglichkeit geben können, ihm alles zu erzählen. Aber kein Wort kam ihm über die Lippen. Er fühlte sich hintergangen, enttäuscht, betrogen.
So zog er ein letztes Mal an der Zigarette und trat auf sie zu, um an ihr vorbei ins Haus zu gehen.
Als er sich an ihr vorbeipresste, pochte sein Herz heftig. “Gute Nacht. Schlafen Sie gut.”
Er würde es auf jeden Fall nicht tun.
Ellie war froh, als endlich die Sonne aufging und die Vögel zu zwitschern begannen. Sie hatte kaum geschlafen, obwohl die Hängematte so bequem gewesen war, wie sie es erwartet hatte. Aber Tausende von Gedanken hatten sie die ganze Nacht über wachgehalten.
Immer wieder hatte sie über ihre Möglichkeiten nachgedacht. Stets war sie zu demselben Schluss gekommen: Jetzt noch auszusteigen war keine Option. Sie wollte nicht versagen.
Du hast Angst, Ellie. Gib es ruhig zu.
Und warum nicht? Es war schließlich nichts Außergewöhnliches, vor dem
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