Tiffany Duo Band 0162
sicher, dass Chief Harte dir gern ein bisschen dabei hilft.”
“Oh, ja. Sehr gern”, sagte Jesse trocken. Eine zahme Ratte. Na toll. Dennoch, es war eine Gelegenheit, mit Corey unter vier Augen zu sprechen, die er nicht ungenutzt verstreichen lassen konnte, auch wenn es bedeutete, dass er einen Rattenkäfig saubermachen musste.
Sein Job war es offensichtlich, die Ratte zu halten, während Corey den Boden des Käfigs mit frischem Zeitungspapier auslegte und die Trink- und Fressnäpfe auffüllte. Jesse hielt das Tier behutsam.
Bei seiner Ausbildung hätte er sich nicht träumen lassen, dass er eines Tages in Ausübung seines Amtes im Klassenzimmer einer vierten Klasse stehen und eine Ratte halten würde.
Er schaute sich Raticus ein bisschen genauer an. Die Ratte beobachtete ihn mit glänzenden schwarzen Knopfaugen, wobei ihr rosa Schwanz zuckte. “Beißt dieses reizende Tierchen?”, fragte Jesse.
Corey schnaubte verächtlich. “Höchstens, wenn Sie es zuerst beißen.”
“Ich glaube, ich kann mit Sicherheit behaupten, dass das nicht so schnell passieren wird.”
Die Belustigung des Jungen verflog schnell. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich wieder. “Müssen Sie nicht einen Dieb fangen?”
“Ich habe Mittagspause.”
“Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie keine Ruhe geben, bis Sie ihn gefunden haben.”
Die Ratte versuchte sich aus seinem Griff herauszuwinden, sodass Jesse ein bisschen fester zupacken musste. “Keine Sorge, ich werde ihn schon finden.”
“Wer sagt denn, dass ich mir Sorgen mache? Ist mir doch egal, wer ein blödes Glas mit Geld für ein blödes Krankenhaus klaut.”
“Hast du auch Geld in dieses blöde Glas geworfen?”
Corey weigerte sich, Jesses Blick zu begegnen, während er einen Fressnapf auffüllte. “Und wenn schon? Es war mein eigenes. Meine Mom gibt mir immer was, damit ich mir auf dem Heimweg von der Schule eine Limo kaufen kann.”
Verdammter Chuck Hendricks und seine Verdächtigungen. Corey hatte sich nur um das Glas herumgedrückt, weil er vorgehabt hatte, etwas hineinzuwerfen.
Jesses Brust fühlte sich plötzlich eng an. Er wollte dem Jungen die Hand auf die Schulter legen und ihm sagen, dass er stolz auf ihn war, weil Corey so fürsorglich war, aber er unterdrückte den Impuls – nicht nur, weil er keine Hand frei hatte, sondern auch, weil er dieser aufsässige Junge, der Angst hatte, seine Gefühle zu zeigen, früher selbst gewesen war.
Corey würde die Geste nicht zu schätzen wissen, er würde nicht wissen, wie er damit umgehen sollte, genau wie Jesse in diesem Alter.
Der Chief räusperte sich. “Wie vorhin schon gesagt, macht es mich wütend, dass jemand dieses Geld genommen hat, das ihr mit so viel Mühe gesammelt habt. Du kannst dir nicht zufällig denken, wer es genommen haben könnte?”
“Woher soll ich das denn wissen?”
Jesse wog seine Worte sorgfältig ab. “Ein cleverer Junge wie du hat doch immer das Ohr am Boden. Du bekommst sicher mehr mit als ich.”
Der Junge schnaubte verächtlich. “Ist doch nicht schwer.”
“Und du erzählst es mir, wenn du etwas hörst?”
“Kann schon sein.” Der Junge streckte die Hand nach der Ratte aus, um sie in den sauberen Käfig zu setzen, und Jesse gab sie ihm bereitwillig.
Die beiden beobachteten einen Moment, wie Raticus sich wieder häuslich einrichtete, dann gingen sie zusammen zu Sarahs Pult zurück.
Sie musste wirklich aufhören, an Jesse Harte zu denken.
Noch Stunden später, als Sarah allein in ihrem stillen kleinen Haus war, mit fest zugezogenen Vorhängen, um die dunkle regnerische Nacht auszuschließen, stand ihr immer noch die Situation im Klassenzimmer vor Augen, als sie gedacht – befürchtet, gehofft? – hatte, dass er sie küssen würde.
Sie war unfähig, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, weil sie immer noch den herben Duft seines After Shaves in der Nase hatte und sah, wie die Muskeln an seinem Kiefer gezuckt hatten, als sein Mund ganz langsam auf sie zugekommen war.
Was hätte sie getan, wenn er sie geküsst hätte? Hätte sie Panik bekommen? Wäre sie von ihren bösen Erinnerungen überschwemmt worden, gegen die sie machtlos war? Oder hätte sie es begrüßt, hätte sie den Kuss ausgekostet?
Sie hatte es verzweifelt gern herausfinden wollen. Und wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, musste sie zugeben, dass sie es immer noch wollte.
Warum fühlte sie sich so von diesem Mann angezogen? Weil er alles zu sein schien, was sie nicht war? Sie war eine
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