Tiffany Duo Band 128
Angst berechtigt, dachte Lucy, denn sie hatte nicht eine Pflanze im Haus entdeckt.
„Drüben muss auch noch ein Schlüssel zu unserem Haus sein", fuhr Sally fort. „Mrs. Quaid hat unsere Post reingeholt und die Katze gefüttert, wenn wir weg waren."
Verständlicherweise schien Sally nicht mehr über Claire sprechen zu wollen. Und das war gut so, Lucy hatte im Moment genug, worüber sie nachdenken musste. Ihre Unterhaltung wandte sich wieder anderen Dingen zu.
Eine Stunde später kam Sallys Mann Danny. Lucy war gerade dabei, Sally aus der Hand zu lesen, als er plötzlich in der Küchentür stand und sie aus braunen Augen anstarrte. Irgendwie erinnerte er sie an einen Vampir.
„Danny." Sally riss ihre Hand weg und sprang auf. „Du kommst früh, Schatz."
Danny Neil sah Lucy missbilligend an. Offenbar gefiel es ihm nicht, dass sie in seiner Küche saß. „Sie sind Quaids Freundin", sagte er abweisend.
„Lucy Fain." Sie ignorierte seine kaum verhohlene Ablehnung und reichte ihm die Hand.
Doch anstatt sie zu begrüßen, schaute er zu dem leeren Herd, während er seine Krawatte löste. „Hast du mit dem Essen noch nicht mal angefangen?" fragte er ärgerlich.
„Tut mir Leid", erwiderte Sally rasch, „ich habe dich nicht so früh erwartet."
Eine unangenehme Spannung herrschte im Raum. Lucy stand auf. „Ich denke, ich gehe jetzt mal besser,"
„John ist aber noch nicht zurück", widersprach Sally. „Bleib lieber noch …"
„Er wird gleich kommen. Ich warte auf der Veranda." Rasch drehte Lucy sich um und ging. Hinter sich hörte sie laute Stimmen. Sie schloss die Tür hinter sich und atmete auf. Was sie eben beobachtet hatte, erinnerte sie zu sehr an ihre eigene Ehe.
Kurz darauf bog John in die Einfahrt. Als Lucy ihn sah, machte ihr Herz einen Sprung, und sie rannte auf ihn zu.
12
Lucy fing an, sich wohl zu fühlen, und eine Warnglocke ertönte in ihrem Kopf. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so geborgen gefühlt, das Leben auf dem Jahrmarkt war kein Zuckerschlecken gewesen.
Und auf einmal war alles anders. Johns Haus war auf einmal auch ihr Zuhause. Sie wusste, wo der Kaffee war und die Löffel und wo John seine Vorräte aufbewahrte. Sie lebten zusammen wie ein Paar und waren, trotz aller Umstände, richtig glücklich,
Doch früher oder später musste sie das alles zurücklassen: das Haus, ihre neue Freundin Sally - und John. Oh, John zu verlassen würde schwer werden, wahrscheinlich das Schwerste, was sie je würde tun müssen.
Trotz ihrer düsteren Gedanken lächelte Lucy, als sie die zögerlichen Töne aus dem Wohnzimmer hörte. Vorsichtig angeschlagene Klavier tasten schickten ihre silbernen Klänge durch das Haus. Lucy hörte einen schiefen Ton, einen leisen Fluch, und dann fing das Lied von vorne an: „My Funny Valentine".
Leise ging sie durch die Küche zur Tür, die ins Wohnzimmer führte. John saß über die Tasten gebeugt da, griff ein paar Mal daneben und hatte schließlich die richtige Melodie. Lucy beobachtete seine starken Hände auf den Elfenbeintasten, die langen geschickten Finger. Er trug seinen blauen Bademantel, und muskulöse tief gebräunte Beine sahen darunter hervor. Dann hob er den Blick, um die Wand vor sich mit den Familienfotos zu betrachten, und die Noten wurden weicher. „Für jeden Rock-'n'-Roll-Song, den ich gespielt habe, musste ich ein Lieblingslied meiner Mutter lernen", sagte er.
Lucy lächelte. „Ein Glück", erwiderte sie. „Ich war nie ein Fan von Kiss . " Sie trat näher und setzte sich neben ihn auf die Klavierbank, wo sie den Kopf auf seine Schulter sinken ließ. Scheinbar mühelos flogen seine Finger jetzt über die Tasten.
„Ich denke, es wird Zeit für mich zu gehen", sagte Lucy weich, ohne ihn anzusehen.
John spielte weiter. „Wo willst du denn hin?"
„Ich weiß es nicht."
„Wenn du es weißt, reden wir noch einmal darüber", sagte er.
Lucy sah zu den Fotos an der Wand. Dort hing Johns Leben in goldenen und silbernen Rahmen. John als Baby, ernst und pausbäckig, neben Adam, der aussah, als hätte er gerade geweint. Daneben ein dunkelhaariger John und ein blonder Adam als Cowboys verkleidet und dann mit Laternen in der Hand. Ein Foto zeigte ein attraktives Paar: einen Mann, der John sehr ähnlich sah - der Vater, der seine Familie verlassen hatte - und eine lächelnde Frau, Johns Mutter.
„Ich gehöre nicht hierher", sagte Lucy leise. Das Eingeständnis fiel ihr schwer, aber es war die Wahrheit. John hörte auf zu spielen, sah sie
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