Tiffany Duo Band 128
Fahrerin durch die geöffnete Seitenscheibe. Der Rhythmus der Bässe dröhnte in seinen Ohren. Atemlos wartete er darauf, dass die Bremslichter aufleuchten würden. Aber nichts geschah.
„He, halten Sie an!"
Bloß weiterfahren, dachte Lissa, obwohl ihr Fuß schon bremsbereit war. Mit klopfendem Herzen blickte sie in den Rückspiegel und betrachtete die Gestalt, die plötzlich aus dem Hitzedunst aufgetaucht war.
Der Anblick in dem rissigen Spiegel beruhigte sie kein bisschen. Der Mann war groß und gertenschlank. Er trug enge Jeans, ein verschmutztes weißes Hemd und eine Baseballkappe in Marineblau und Orange, die er tief in die Stirn gezogen hatte. Von seinem Gesicht waren nur die dunkle Sonnenbrille und das markante Kinn zu erkennen.
Nicht gerade der Typ, den eine vernunftbegabte Frau als Anhalter mitnehmen sollte. Vor allem nicht, wenn sie allein auf einer endlos langen, einsamen Straße fuhr.
Trotzdem schlich sich ein schlechtes Gewissen in Lissas weiches Herz; das sie schon mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte. In den dreizehn Jahre im baptistischen Kinderheim von South Oklahoma hatten der Reverend und Mrs. McNabb ihr etwas anderes beigebracht, als achtlos an einem notleidenden Menschen vorüberzugehen.
Lissa warf einen weiteren raschen Blick in den Rückspiegel. Gesunder Menschenverstand und bittere Erfahrungen stritten sich in ihrem Innern mit den Erfordernissen der Liebe, des Glaubens und der Barmherzigkeit.
Mit einem leisen Fluch auf den Lippen, der den guten Reverend schockiert hätte, trat sie auf die Bremse. Das Pedal hatte mehr Spiel als das alte Akkordeon, auf dem sie ihre ersten Lieder begleitet hatte. Sie musste es beinahe bis zum Bodenblech durchdrücken, bevor der zehn Jahre alte Pickup zum Stehen kam.
Einen Moment blieb sie regungslos mit beiden Händen am Lenkrad sitzen, blickte in den Spiegel und überlegte, wie sie sich am besten in dieser Situation verhalten sollte. Unterdessen schmetterten Mary Jones und das Silver City Quartett den Song, den sie letztes Jahr für die Gruppe komponiert hatte.
Der herbeieilende Anhalter riss Lissa aus ihrer Erstarrung. Sie schaltete das Radio aus, zog die Handbremse an, ließ den Motor aber laufen - für den Fall der Fälle. Zögernd öffnete sie die Tür und stieg aus. Glühende Hitze drang durch die Sohlen ihrer leichten Segeltuchschuhe, sobald sie den Asphalt berührten.
„Bleiben Sie stehen, wo Sie sind!"
Der Mann verlangsamte seinen Schritt und blieb etwa dreißig Meter vor ihr stehen. Das wenige, das Lissa von seinem Gesicht unter dem Rand der Baseballkappe sehen konnte, fand durchaus ihre Zustimmung.
„Sehr vernünftig, Lady. Sie haben Recht, wenn Sie vorsichtig sind." Seine Stimme klang tief und wohltönend. Nicht trocken oder rau, was auf einen zu langen Aufenthalt in der Sonne hätte schließen lassen. Wie ein Landstreicher spricht er nicht, dachte Lissa. Allerdings ließ ihre Menschenkenntnis erheblich zu wünschen übrig.
„Ich bin mehr als vorsichtig", rief sie zurück. „Ich verschwinde auf der Stelle, wenn Sie einen einzigen Schritt näher kommen, ohne mir vorher erklärt zu haben, weshalb Sie hier mitten in der Wildnis gestrandet sind."
Evan nahm seine Baseballkappe ab und strich mit dem Arm über seine Stirn. Eine dichte Strähne seines braunen Haars wurde vom Schweiß noch dunkler und glänzte im hellen Sonnenschein. Sein gebräuntes Gesicht war zu zerfurcht, um schön genannt zu werden, und zu markant für den Seelenfrieden jedes weiblichen Wesens.
„Ich war auf dem Weg nach Yuma und geriet in einen Kampf mit einem Eselhasen um die Vorfahrt. Der Hase hat gewonnen." Er verzog den Mund zu einem kläglichen Lächeln.
Lissa wandte sich verächtlich ab. Selbst aus dieser Entfernung erkannte sie, dass der Mann ein mindest ebenso großer Charmeur war wie Doc. Nur jünger. Und sexier. Er setzte seine Kappe wieder auf und schob die Daumen unter den Taillenbund seiner Jeans. Seine weißen Zähne blitzten auf. Die gebräunte Haut zu beiden Seiten seiner blauen Augen legte sich in winzige Fältchen, die besagten: „Vertrau mir, Darling."
Nun, sie hatte einmal einem aalglatten Kerl getraut. Ein zweites Mal passierte ihr das nicht.
„Ich sehe nirgends einen Wagen", rief sie misstrauisch. „Waren Sie zu Fuß unterwegs, als Sie den Kampf mit dem Eselhasen verloren?"
„Nein, ich fuhr mit einem Motorrad." Evan deutete auf den Graben neben der Straße. Lissa trat einige Schritte beiseite und entdeckte das glänzende
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