Tiffany Duo Band 128
Straßengraben gelandet. Lissa hielt an, um mich mitzunehmen."
„Ganz schön riskant für eine Frau, allein diese Straße entlangzufahren. Aber das ist typisch Melissa James. Das Mädchen nimmt sich ständig irgendwelcher Gestrandeten an."
Melissa James. Das passt zu ihr, dachte Evan. Der Name erinnerte ihn an das Flüstern des Windes in den Baumwollstauden. Neugieriger denn je auf die widersprüchliche Frau, die wegen eines Anhalters angehalten, aber auf dem ganzen Weg in die Stadt kein einziges Mal gelächelt hatte, fragte er: „Welcher Gestrandeten hat sie sich denn sonst noch angenommen?"
„Einem von Fliegen gebissenen Mischlingshund, der sich unter ihrem Wohnwagen eingerichtet hat. Außerdem der alten Witwe Jenks." Charlie schüttelte den Kopf mit dem ergrauten Haar und trocknete mit seinem Unterarm den feuchten Ring auf der Theke. „Ihr weiches Herz bringt sie immer wieder in Schwierigkeiten."
Immer wieder? Also stimmte sein erster Eindruck, und die Abneigung seiner wortkargen Retterin gegenüber Juristen beruhte nicht nur auf einem Vorurteil.
„Lissa erwähnte, dass sie jetzt in Paradise lebt", sagte er wie beiläufig.
„Ja, wenn man das Campen in einem alten Wohnwagen als Leben bezeichnen will. Das Ding hätte schon vor Jahren verschrottet werden sollen."
Interessant. Die Frau lebte in einem alten Wohnwagen und fuhr einen Pick-up, der mehr Rost aufwies als Farbe. Trotzdem hatte sie seine Bezahlung abgelehnt.
Evan stellte einen Fuß auf die Stütze unten am Barhocker und begann geschickt, weitere Informationen aus Charlie hervorzulocken. Schließlich galt er nicht ohne Grund als der heißeste Kandidat für den Posten des U.S.-Bezirksstaatsanwalts, wenn sein Boss im nächsten Jahr in Pension ging. Es dauerte nicht lange, und ihm wurde klar, dass die wenigen Einwohner von Paradise, Lissa James gemeinsam unter ihre Fittiche genommen hatten.
„Sie müssen etwas gesagt haben, das sie verärgert hat", erklärte Charlie. ,,Ich habe noch nie erlebt, dass sie jemanden derart im Staub zurückgelassen hat. Meistens ist sie reizend wie ein Engel."
Evan enthielt sich einer Bemerkung.
„Wenn man bedenkt, dass sie diesen halb wilden Mischling durchfüttert ... Oder als Organistin einspringt, wenn die Kirche drüben in LaGrange jemanden braucht ... Das Mädchen ist unwahrscheinlich gefällig. Es steckt kein Funken Böses in ihr."
Evan trank noch einen Schluck Bier. Er erinnerte sich viel zu gut an das Spiel von Lissas Muskeln unter der glatten gebräunten Haut, als sie von ihm weggerutscht war. Auch an die unzähligen Sommersprossen, die sich in der Sonnenbräune beinahe verloren, und an ihren sinnlichen Kussmund.
Lissa hatte ihn gewaltig beeindruckt. Dabei beruhte sein Interesse nicht auf reiner Wollust. Es gründete sich vielmehr auf der Erkenntnis, dass diese Lissa James einerseits eine äußerst begehrenswerte Frau war, andererseits aber auch ein Rätsel, das gelöst werden wollte. Zumindest redete er es sich ein, als Charlie ihm anbot, die Harley zu bergen.
„Es kommen nicht viele Reisende hier entlang", erklärte der Barkeeper und Mechaniker. „Trotzdem sollte man so eine tolle Maschine nicht lange am Straßenrand liegen lassen. Ich habe eine Winde an meinem Abschleppwagen. Damit kann ich sie aus dem Graben ziehen. Anschließend heben wir sie gemeinsam auf meinen Transporter und bringen sie nach Paradise, wo der Straßendienst sie abholen kann."
„Mir soll es recht sein. Lassen Sie mich nur zwei Telefongespräche führen, dann bin ich so weit."
„Falls Sie Ihr Hemd wechseln möchten: Drüben im Regal liegt ein Stapel T-Shirts", schlug Charlie vor.
Evan trank sein restliches Bier aus und betrachtete die begrenzte Auswahl an T-Shirts. Lächelnd wählte er ein neongelbes Exemplar mit dem Aufdruck eines bekannten Sportlers, der quer über die Brust verlief, und ging zum Telefon.
Der Straßendienst versprach, das Motorrad in Paradise abzuholen und zur nächsten Harley-Werkstatt zu bringen. Außerdem würde man ihm einen Leihwagen schicken.
Der zweite Anruf galt seinem Büro, wo er von seiner Sekretärin erfuhr, dass Carrie Northcutt verzweifelt versucht hatte, ihn über sein Handy zu erreichen.
„Ich habe die landschaftlich schönere Strecke genommen", erklärte Evan. „Mein Handy funktioniert hier in der Wüste nicht. Was ist denn los?"
„Der Bürgermeister setzt den Chef stark unter Druck. Er möchte über den neuesten Stand der Mendoza-Affäre informiert werden", sagte Sharon.
Evan
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