Tiffany Duo Band 77
fragte er wieder und sah sie eindringlich an.
„Ein bißchen", log sie, denn ihr tat gar nichts mehr weh, doch sie wünschte, er würde noch ein ganz kleines Weilchen mit seiner Berührung fortfahren und ihr nahe sein.
„Ich habe dich doch hoffentlich nicht erschreckt durch meine Frage, oder?"
Sie lachte ein kleines Lachen der Verzweiflung.
„Was meinst du, was deine Verlobte dazu sagt, wenn du mit einer anderen Frau ein Wochenende verbringst?" Shelly lachte gekünstelt, um anzudeuten, daß sie die ganze Sache für einen Scherz hielt, den er sich mit ihr erlaubte.
Sie müssen doch ganz kurz vor der Hochzeit stehen, überlegte sie. Brian hatte ihr gegenüber bereits vor Monaten von seiner bevorstehenden Heirat gesprochen, die Angelegenheit später jedoch niemals mehr erwähnt.
Und sie hatte nie gefragt. Abends nach dem Büro war sie ihm aus dem Weg gegangen, weil sie Angst hatte, er könnte womöglich noch auf die Idee verfallen, sie auf einen Drink einzuladen oder sonst irgend etwas. Schließlich waren sie ja alte Freunde.
Mit ihm über seine Hochzeit zu sprechen, erschien ihr jedoch nicht ratsam, sie würde es nicht ertragen können, das wußte sie, der Schmerz würde ihr das Herz zerreißen. Also redete sie, wenn sie im Büro zusammensaßen, über ihre Arbeit. Da gab es ja auch genug zu erzählen.
Und die Einladung hatte sie, feige wie sie in diesem Punkt war, ungeöffnet in dem Korb, in dem sie ihre unerledigte Post aufzubewahren pflegte, liegengelassen. So, als könnte sie die ganze Sache ungeschehen machen, wenn sie sie nur hartnäckig genug ignorierte.
„Was ist los?" Sie zwang sich weiterzureden und wich seinem Blick aus. „Bekommst du kalte Füße wegen deiner Heirat?"
Eine geradezu lachhafte Vorstellung, wirklich. Brian war überhaupt nicht der Typ, der in Panik verfallen würde, nur weil eine endgültige Bindung bevorstand. Er war ernsthaft und zuverlässig. Er durchdachte die Dinge immer bis zum Ende, traf seine Entscheidung und stand dann selbstverständlich auch dazu.
Er würde...
Sie unterbrach ihren Gedankenfluß, als ihr auffiel, daß er ungewöhnlich still geworden war. Shelly sah ihn an. Jemand anderem, der ihn nicht so gut kannte wie sie, wäre an ihm nichts ungewöhnlich erschienen. Sie allerdings wußte es besser. Etwas, stimmte nicht mit ihm.
Er starrte trübsinnig vor sich hin, in seinen dunklen Augen lag Verschlossenheit, und sein Lächeln erschien ihr gezwungen.
Brian nahm schweigend ihre Hand, drückte sie kurz und legte sie dann auf das Geschirrtuch mit dem Eiswürfel. Anschließend drehte er sich um, ging zur Tür und lehnte sich an den Pfosten.
Sie schloß die Augen und holte tief Luft. Die Kaffeemaschine gurgelte, zischte und dampfte vor sich hin.
Draußen im Büro herrschte noch immer tiefe Stille, und es war dunkel. Erst in zwei Stunden würde hier Leben einkehren. Shelly sollte diese Zeit lieber nutzen, um ohne unliebsame Unterbrechungen das zu tun, was sie sich für heute morgen vorgenommen hatte, anstatt hier in der Küche herumzustehen.
Es war ein Schock für sie gewesen, als er hier angefangen hatte zu arbeiten. Sechs Jahre ihres Lebens hatte sie damit verbracht, seine Aufmerksamkeit zu erzwingen, ihn merken zu lassen, daß sie nicht mehr das kleine Mädchen von nebenan war, und als ihr das nicht gelang, hatte sie noch einmal sechs Jahre gebraucht, um ihn auch nur ansatzweise vergessen zu können.
Zum Schluß hatten sie sich nur noch selten gesehen. Das letzte Mal, als ihr Vater starb.
Sein Tod war ein sehr plötzliches und trauriges Ereignis für sie gewesen. Ihr Vater war bei bester Gesundheit, als ihn ein Herzinfarkt fällte wie der Blitz einen Baum. Da Brian wußte, daß sie sonst keine Angehörigen mehr hatte, war er damals zu ihr aufs College gekommen, um ihr in einer der schwersten Stunden ihres Lebens beizustehen.
Und sie war ihm dankbar gewesen dafür. Sehr dankbar. Sie konnte sich an seiner Schulter ausweinen, während er ihr zart und einfühlsam alles erzählte, was er über den Tod ihres Vaters wußte; während der Beerdigung hielt er ihre Hand und tröstete sie in ihrem Schmerz.
Er kümmerte sich um sie, wie er es immer getan hatte, und vielleicht - auf seine eigene Art und Weise - liebte er sie sogar. Doch nicht so, wie sie von ihm geliebt werden wollte.
„Was ist los, Brian?" Jetzt mußte sie es wissen. Was bedrückte ihn so?
„Rebecca und ich werden nicht heiraten", sagte er lapidar.
„Was?" Shelly starrte ihn verständnislos
Weitere Kostenlose Bücher