Tiffany Duo Band 77
Einladung bekommen hast."
Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, ihm zu erzählen, daß sie natürlich eingeladen worden war. Sonst müßte sie ja zugeben, daß sie den Brief nicht geöffnet hatte wegen ihrer Angst, etwas darin zu finden, das ihr großen Schmerz zufügen würde. Sie hatte sich noch nicht einmal dazu aufraffen können, die notwendigen Schritte, die einfach nur ein Gebot des Anstands gewesen wären, zu tun. Weder hatte sie ab noch zugesagt, geschweige denn, daß sie ein Geschenk gekauft hatte. Rebeccas Eltern mußten sie wirklich für ausgesprochen unhöflich halten.
„Na, egal", fuhr Brian fort, „immerhin bist du seit Jahren nicht mehr zu Hause gewesen..."
Stimmt, seit dem Tod ihres Vaters hatte sie Tallahassee gemieden. Es gab dort nichts mehr, was sie mit ihrem früheren Leben verband. Nur Brian, und der war für sie unerreichbar geworden.
„Die ganze Stadt wird zu der Hochzeit kommen", erzählte er. „Du hättest die Gelegenheit, alte Freunde zu treffen, und auch meine Eltern würden sich sicher sehr freuen, dich wiederzusehen."
„Willst du damit sagen, daß du möchtest, daß ich mit dir zu Rebeccas Hochzeit fahre?" In ihrer Stimme lag ungläubiges Staunen.
„Ich könnte Gesellschaft brauchen."
Sie zögerte. Das letzte, was sie im Moment brauchte, war, ein ganzes Wochenende mit ihm zu verbringen. Es würde alte, schon fast vernarbte Wunden wieder aufreißen. Doch wie sollte sie ihm das erklären, da er die Wahrheit ja gar nicht kannte? Sie kramte nach einem Grund, der glaubhaft genug wäre, um ihre Absage rational zu begründen...
„Moment mal", versuchte sie die Entscheidung noch hinauszuzögern, „warum willst du denn da unbedingt hin?"
„Ich muß, Shelly. Ich muß es mit eigenen Augen sehen."
Sie nickte langsam. Ja, sie konnte ihn verstehen. Nur allzu gut konnte sie verstehen, was in ihm vorging. Auch sie hatte sich vorgenommen, bei der kirchlichen Trauung von Rebecca und Brian dabeizusein. Doch nachdem sie die vermeintliche Einladung erhalten hatte, hatte der Mut sie verlassen. Sie hatte sich einfach zu schwach gefühlt, um der Realität ins Auge sehen zu können.
Was würde wohl ein Psychoanalytiker dazu sagen? Verdrängung ja, das war wohl der Fachausdruck dafür. Man mußte sich nur entschließen, sein emotionales Gepäck fein säuberlich zu einem kleinen Bündel zu verschnüren, um es in irgendein tiefes schwarzes Loch zu werfen, dahin, wo man es niemals wieder zu Gesicht bekommen würde. Ach, wenn das nur so einfach wäre!
„Ich weiß nicht, Brian", wich sie aus.
„Ach, komm", versuchte er sie zu überreden, „Charlie würde uns sicher das Firmenflugzeug leihen. Wir könnten in zweieinhalb Stunden dort sein."
„Ich habe im Moment einfach zu viel zu tun, verstehst du? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll." Vielleicht war es das beste, Arbeit vorzuschützen. „Du weißt selbst, daß wir ziemlich im Rückstand mit unseren Planungen für dieses Projekt sind und..."
Er hob mit seinem rechten Zeigefinger ihr Kinn und brachte sie damit augenblicklich zum Schweigen..
Eine sanfte Berührung, sehr vertraut, eine Berührung unter guten Freunden. Sie war sich sicher, daß er sich nichts dabei dachte. Er tat das, was er immer getan hatte, und er fühlte nicht das, was sie fühlte.
„Ich will einfach nicht allein hingehen", bekannte er ernst, doch dann bemühte er sich wieder um einen leichteren Ton. „Ach, komm, Shelly. Was würde eine Frau, die einen Korb bekommen hat, an meiner Stelle tun? Ich weiß es. Sie würde sich einen tollen Typ suchen, der sie zu der Hochzeit begleitet, um die ganze Welt davon zu überzeugen, daß es ihr prächtig geht und ihr die ganze Angelegenheit nicht das geringste ausmacht."
Ja, da konnte sie nicht widersprechen. Wäre sie zu Brians Hochzeit gegangen, dann mit Sicherheit auf keinen Fall allein.
„Brian, es ist nicht,.."
Er ließ sie nicht ausreden. „Also habe ich mir überlegt, welche schöne Frau mich nach Tallahassee begleiten könnte, und natürlich bist du mir dabei als erste eingefallen."
„Natürlich", erwiderte sie ironisch, doch ihre Wangen brannten. „Brian..."
„Na los, komm schon, Shelly."
Mit diesem sanften, einschmeichelnden Ton hätte er sie selbst dazu verlocken können, von der höchsten Bergspitze in die Tiefe zu springen. Und genau so sah sie diesen Wochenendtrip - als einen Sprung ins Ungewisse. Wenn sie mit ihm fahren würde, würde alles wieder von vorn anfangen. Sie würde von neuem
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