TIFFANY EXKLUSIV Band 02
Holts Wegbleiben gab. Vermutlich hatte Adele es sich anders überlegt. Wahrscheinlich waren sie jetzt zusammen. Hannah konnte es kaum fassen, aber dieser Gedanke tat noch mehr weh als ihre Befürchtung, Holt könnte auf offener Straße zusammengeschlagen worden sein.
Sie stöhnte leise. Reiß dich zusammen, schalt sie sich selbst. Holt ist ein erwachsener Mann, und er kann gut auf sich selbst aufpassen. Und er muss sich dazu nicht erst deine Erlaubnis einholen.
Sie stand auf, duschte und zog sich dann für den Tag an. Es blieben ihr noch ein paar Minuten, bevor sie auf die Messe gehen musste, und sie beschloss, ihren Vater anzurufen.
„Ich hoffe, du kommst bald wieder nach Hause, Hannie-Mädchen“, sagte Terence Jansen ohne große Umschweife. „Gestern ist ein Brief vom Finanzamt gekommen.“
„Was wollen die denn?“
„Keine Ahnung. Ich dachte, ich überlasse es dir, den Brief aufzumachen.“
„Mach dir keine Sorgen. Wahrscheinlich sind es nur die Formulare für die vierteljährliche Abrechnung.“ Eigentlich hätte er den Umschlag wirklich auch selbst öffnen können, dachte sie. „Kommst du mit dem Alltagskram zurecht?“
„Ich stapele die Rechnungen und stopfe das Bargeld in die Schublade, dann kannst du dich darum kümmern, wenn du wieder da bist“, erwiderte ihr Vater.
„Aber, Dad, ich komme doch erst am Wochenende wieder. Dann können wir das Geld ja nicht vor Montag auf der Bank einzahlen.“
„Dieses eine Mal wird’s schon nichts ausmachen.“
Nein, aber es ist eine Arbeit mehr, die ich erledigen muss, dachte Hannah. „Hast du das Roastbeef aufgegessen, das ich dir dagelassen habe?“, wechselte sie das Thema.
„Nein.“
Sie runzelte die Stirn. „Warum nicht?“ Sie hatte ihm für jeden Tag ihrer Abwesenheit etwas zu essen vorbereitet und eingefroren. Alles, was er hätte tun müssen, war, den Topf in die Mikrowelle zu schieben. „Du sollst doch anständig essen.“
„Tue ich auch. Am ersten Abend hat mir Margaret Clausen ein gegrilltes Hähnchen und ein paar Klöße vorbeigebracht“, entgegnete er.
„Oh. Das ist aber nett von ihr.“
„Und gestern Abend kam sie mit einer Kasserolle und einem frisch gebackenen Pfirsichkuchen vorbei“, fügte er hinzu.
Hannah blinzelte verwundert. Es schien, als hätte die Nachbarin, die schon viel länger verwitwet war als Hannahs Vater, ihr plötzliches Interesse an Terence Jansen entdeckt. Oder hatte sie nur den Augenblick abgewartet, bis Hannah mal nicht in der Nähe war und sie freie Bahn hatte?
„Klingt, als würdest du bestens zurechtkommen“, bemerkte Hannah lächelnd.
„Ja, aber ich vermisse dich trotzdem. Ich freue mich darauf, dich wieder hierzuhaben.“
„Ich freue mich auch auf zu Hause.“ Es fiel ihr schwer, die Worte auszusprechen. Die Erinnerung an das winzige Hinterzimmer des Eisenwarenladens, in dem sie die Buchhaltung machte, an den Geruch von Tinte und Öl und Metallspänen, bereitete ihr plötzlich Übelkeit. „Dad, ich muss jetzt wieder los. Ich hab dich lieb.“
„Ich dich auch, mein Hannie-Mädchen.“
Sie liebte ihren Vater wirklich. Aber hier in Chicago hatte sie einen Vorgeschmack auf etwas bekommen, was sie sich noch mehr wünschte als die Gelegenheit, aus Crookston wegzukommen. Sie wollte diesen hochgewachsenen, gut aussehenden Cowboy aus Montana. Aber die Chancen, dass dieser Traum in Erfüllung geht, dachte sie bitter, sind im Moment noch geringer als die Wahrscheinlichkeit, einen Großeinkäufer für meine Dessous-Kollektion zu finden.
Holt fuhr sich über das stoppelige Kinn. Niemand sollte gezwungen werden, die ganze Nacht auf einem Stuhl zu verbringen, selbst wenn es sich um einen bequemen Sessel in einer Hotellobby handelte. Der Nachtportier hatte ihn zwar misstrauisch beäugt, aber als Holt seinen Kartenschlüssel vorgezeigt und angedeutet hatte, er habe eine kleine Meinungsverschiedenheit mit der Dame, mit der er das Zimmer teile, hatte der Mann plötzlich sehr verständnisvoll gelächelt.
„Frauen sind manchmal unberechenbar, Sir“, hatte er gesagt. „Ich verstehe, was Sie durchmachen, und ich kann Ihnen versichern, dass Sie nicht der erste Mann sind, der in diesem Hotel unter den Launen einer Frau zu leiden hat.“
Holt hatte sich erleichtert bedankt und sich in der hintersten Ecke der Empfangshalle in einen mit grünem Samt bezogenen Sessel fallen lassen. Irgendwann mitten in der Nacht war sein Kopf zur Seite gekippt, sodass die Blätter einer riesigen Topfpflanze über sein
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