Tiffany Extra Band 03
Marley gegenüberlag. Wie an den Abenden zuvor schlich er vorsichtig zum Hintereingang. Er war ja nicht so dumm, sich erwischen zu lassen. Nein, nein. Solange die Sonne schien, blieb er meistens im Haus. Ein Informant hatte ihm gesteckt, dass die Cops Marley noch immer überwachten.
Leider. Sonst hätte er sich längst bei ihr gemeldet. Aber damit musste er warten. Noch ein paar Tage?
Er öffnete die Tür und trat ins dunkle Haus. Die Versuchung, über die Straße zu laufen, um Marley endlich wiederzusehen, war so groß, dass seine Beine kribbelten. Doch er riss sich zusammen. Wenn er im Gefängnis landete, half es weder ihm noch seiner hübschen Verlobten.
In dieses Haus einzubrechen, war schon riskant genug gewesen. Zum Glück kannte er die Besitzerin. Eine schreckliche Frau. Er hatte mehrmals mit Lydia White gesprochen, als er noch drüben, auf der gegenüberliegenden Straßenseite gewohnt hatte. Darum wusste er, dass sie allein lebte, keine Verwandten hatte. Auch keine Freunde … was ihn bei der alten Hexe nicht wunderte.
Doch auch Hexen brauchen etwas zu essen.
Mit der Einkaufstüte unter dem Arm und ohne Licht anzumachen, ging Patrick die Treppe hinauf. Er trat ins Gästezimmer und spähte aus dem Fenster, denn von hier aus hatte man einen guten Blick auf Marleys Haus. In ihrem Schlafzimmer brannte Licht, die Gardinen waren zugezogen.
Ob sie wohl auf dem Bett lag und an ihn dachte?
Er wandte sich vom Fenster ab und ging zur Schrankkammer, öffnete die Tür … und blickte in die angsterfüllten Augen von Lydia White, die gefesselt auf dem Boden lag. Erstickt aufschrie.
Patrick nahm den Geruch von Urin wahr und verzog angewidert das Gesicht. „Kannst du nicht mal ein paar Stunden durchhalten?“
Die alte Frau wimmerte, Panik stand in ihrem Gesicht.
Patrick beugte sich vor und brachte sie in eine sitzende Position. Dann riss er ihr das Klebeband vom Mund. „Du bekommst jetzt etwas zu essen. Aber denk an meine Warnung. Kein Geschrei, sonst …“ Er deutete auf die Pistole in seinem Hosenbund.
Wieder wimmerte Lydia.
Er entfernte die Folie vom Sandwich, das er mitgebracht hatte, und schob es ihr in den Mund. Zuerst wehrte Lydia sich etwas, aber dann begann sie zu kauen. Der Hunger war zu groß. Seit heute Morgen hatte sie nichts zu essen bekommen.
Patrick unterdrückte einen Fluch, während er die alte Dame fütterte. Er wünschte, er könnte sie einfach erschießen und seine Ruhe haben. Aber er war kein kaltblütiger Mörder. Nein, er tötete nur, wenn es um sein eigenes Überleben ging. Aus Notwehr, sozusagen. Außerdem brauchte er Lydia. Sie musste ans Telefon gehen, wenn jemand anrief – was allerdings nicht oft der Fall war. Und er hatte ihr jedes Mal dabei die Pistole an ihre Schläfe gehalten, natürlich. Es wäre aufgefallen, wenn Lydia White plötzlich spurlos vom Erdboden verschwunden wäre.
Bisher hatte die alte Frau auch brav alle seine Anweisungen befolgt. Und ihr Haus war für sein Vorhaben geradezu ideal. Ja, er konnte zufrieden sein.
„Hier.“ Er schraubte den Deckel einer Wasserflasche ab und hielt sie Lydia an den Mund.
Sie trank hastig, ihr Blick verriet Todesangst.
„Sieh mich nicht so an!“, schimpfte er. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich dir nichts tue. Du bist mich auch bald los. Ich muss nur noch ein paar Dinge organisieren, dann verschwinde ich.“
Mit Marley. Unter gar keinen Umständen würde er sie zurücklassen. Sie war ja die Liebe seines Lebens. Weil diese Frau so ganz anders war als die flatterhaften und untreuen Weiber, die er sonst kannte.
Marley war ein Engel. Das hatte er sofort erkannt, als sie damals in sein Krankenzimmer gekommen war – ein sanftes Lächeln auf ihrem Gesicht.
Sie beide würden noch immer glücklich in ihrem schönen Haus wohnen, wenn vor drei Monaten nicht einiges schiefgegangen wäre. O ja! In Patrick stieg Wut auf. Diese verdammten Cops! Warum mussten sie ausgerechnet an dem Tag in der leer stehenden Fabrik auftauchen? Sie hatten ihm einen Deal im Wert von einer Million vermasselt. Und nun jagten sie ihn. Das hieß, er würde nie wieder – zumindest nicht offiziell – in den USA leben können.
Morgen früh wollte er über die mexikanische Grenze fahren, um einen Typen zu treffen, der ihm neue Papiere besorgen sollte. Und er überlegte noch, wie er Marley am besten kontaktieren könnte. Außerdem brauchte er das Geld, das in ihrem Haus lag. Zweihunderttausend Dollar hatte er unter den Fliesen in ihrem Bad versteckt,
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