Tiffany Extra Band 03
hatte nicht gemerkt, dass sie bei ihm eingezogen war. Er hatte einfach nur geglaubt, dass sie über Nacht blieb. Oft. Sollte er ihr das sagen? Verdammt, nein. „Ich war mir nicht bewusst, dass ich zwischen dir und deinen Eltern stand. Es tut mir leid.“ Er bedauerte es wirklich, aber nicht aus dem Grund, den sie wahrscheinlich annahm. Wenn es ihnen gelungen wäre, die ganze Bande zu verhaften, wäre Kaia vielleicht gar nicht ins Gefängnis gekommen.
„Das muss es nicht.“ Sie verschwand auf der anderen Seite des Daches. „Unser Verhältnis war ohnehin nicht das beste, nachdem ich herausgefunden hatte, was sie taten.“
„Aber … wie hast du es vorher nicht wissen können?“
Sie tauchte wieder auf und winkte ihn heran. „Pass links auf. Da gibt es einige wackelige Stellen.“
Sie beobachtete ihn beim Klettern. „Als ich älter wurde und Fragen stellte, hatten meine Eltern immer eine Antwort, die plausibel klang.“
Blake erreichte den First und setzte sich rittlings darauf. Kaia wollte gleich weiter, doch er hielt sie zurück. „Warte. Erzähl mir, wie du es herausgefunden hast.“
Sie setzte sich neben ihn. „Sie schickten mich auf ein nobles Internat, damit sie an Informationen über die anderen Eltern herankamen. Bis dahin hatte ich zu Hause Privatunterricht erhalten. Ich war so glücklich, endlich mit Leuten meines Alters zusammen zu sein. Freunde zu haben.“ Sie wandte sich ab. „Ich mag nicht darüber reden.“
„Ich mag deine Eltern nicht.“ Blake schwang sein zweites Bein über die Dachspitze. „Sie haben dich manipuliert. Du warst noch ein Kind.“
„Nicht immer.“ Sie stand auf und schaute zu ihm herunter. „Ich wurde von einer Freundin und ihrer Familie zu einem Skiurlaub eingeladen. Zum ersten und einzigen Mal. Meine Eltern raubten das Haus aus, während wir fort waren. Ich wusste, dass sie es waren. Sie haben es nie zugegeben, aber ich erkannte ihre Technik.“
Blake hoffte, ihre Eltern eines Tages persönlich zu treffen, damit er ihnen sagen konnte, was er von ihnen hielt. „Kaia, es war nicht deine Schuld.“
Sie reichte ihm das andere Ende des Seils, das sie um ihre Taille geschlungen hatte. „Ich hätte nicht mitfahren sollen. Ich wusste, dass meine Eltern etwas versuchen würden. Und später, als ich mich weigerte, andere Einladungen anzunehmen, nahmen sie mich von der Schule. Achtung – reiß nicht am Seil. Benutz es, um dein Gleichgewicht zu halten.“
„Vergiss es.“ Er warf ihr das Seil zu. „Wenn ich ausrutsche, reiße ich dich mit.“
„Dann rutsch nicht aus.“
„Kaia …“
„Blake.“ Sie drückte ihm das Seilende in die Hand. „Keine Widerrede.“
Er beschloss, nicht mehr zu streiten, doch er hatte nicht die Absicht, das Seil zu benutzen.
„Folg mir“, sagte sie. „Setz deine Füße genau da hin, wo ich meine hinsetze.“
„Warte.“ Als sie sich umdrehte, fand er es überraschend schwer, seine Frage zu stellen. „Hast du nach dem Skiurlaub noch … andere Jobs gemacht?“
Sie starrte ihn an. „Was glaubst du?“, fragte sie und ging auf dem First weiter.
Blake hatte Mühe mitzukommen. „Ich glaube, du wurdest dazu gezwungen.“
Ohne Vorwarnung blieb sie stehen und wirbelte herum. Wenn er eine solche Bewegung versucht hätte, wäre er auf der Erde gelandet.
„Such keine Entschuldigungen für mich. Mach mich nicht zu jemand, der ich nicht bin. Jemand, der besser zu deiner Auffassung von Richtig und Falsch passt. Ich hatte kaum eine Wahl. Ich hätte meine Eltern an die Polizei verraten und in ein Kinderheim gehen können, bis ich achtzehn wäre. Doch ich habe es nicht getan.“
„Wer hätte das schon getan? Kaia, es sind deine Eltern!“
„Na und? Wir können uns keinen Familienzusammenhalt leisten. Ich habe sie nicht gesehen oder mit ihnen gesprochen, seit ich sie nach meiner Verhaftung anrief. Ich wüsste nicht, wie ich mit ihnen in Kontakt treten sollte, selbst wenn ich es wollte. Also mach dir keine Hoffnungen.“
Blake war entsetzt. „Deshalb habe ich nicht gefragt.“
„Es spielt keine Rolle. Der Punkt ist, dass ich wusste, was ich tat. Ich war bereit, Jobs zu übernehmen, wenn sie mir dafür Geld fürs College gaben. Aber nachdem ich mich eingeschrieben hatte, war ich fertig mit ihnen. Deshalb hielt ich Caspers Auftrag für ein Himmelsgeschenk. Ich erkaufte mir damit das zweite Studienjahr. Doch du brauchst es nicht zu beschönigen, Blake. Zwei Jahre lang wusste ich genau, was ich tat.“ Sie atmete tief durch. „Ich
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