Tiffany Lieben & Lachen Band 0008 (German Edition)
Urlaubern. Männern in Cowboy-Klamotten, Angelruten in der Hand. Kinder, dazu deren Mütter. Jassie kam sich seltsam vor in ihrem schicken New Yorker Outfit und mit ihrem Laptop auf dem Schoß.
Sie warf noch mal einen Blick auf die E-Mail. Eine Affäre? Sie hatte noch nie eine Affäre gehabt. Dafür war sie äußerst begabt darin, sich in den falschen Mann zu verlieben. Zwei Mal war ihr das jetzt schon passiert. Vielleicht hatte Rita recht. Vielleicht nahm sie die Liebe zu ernst.
Sie schaute aus dem Fenster und klappte dann ihren Laptop zu. Gerade erreichte der Bus eine kleine Stadt. Auf dem Ortsschild stand: “Willkommen in Bear Claw, Montana. 800 Einwohner.” Jassie blinzelte überrascht. Nur achthundert Einwohner? Das hölzerne Schild wurde von einem riesigen geschnitzten Bär in den Pranken gehalten. Bären aus Holz war sie bereit zu ertragen. Echte durften ihr vom Hals bleiben.
Der Bus verließ den Highway und fuhr in den Ort hinein. Jassie nahm das, was sie von ihrem neuen Wohnort sah, mit gemischten Gefühlen auf. Irgendwie schien ihr alles aus einem alten Westernfilm zu stammen. Sie mochte Western. Im Fernsehen. Mit einer Schüssel Popcorn und einem Glas Weißwein.
Aber hier leben?
Es gab eine breite Hauptstraße. Perfekt, um Planwagen zu wenden. Nur, dass Jassie keinen Planwagen fuhr. Auf beiden Seiten der Straße parkten tatsächlich Autos. Oder besser gesagt Pick-ups. Geschäfte sah sie auch. Jassie mochte Geschäfte. Jede Frau brauchte ein Hobby. Ihres war Shopping.
Diese Läden allerdings waren eher von der rustikaleren Sorte. Die Fassaden waren mit nostalgischem Zeug wie Wagenrädern, Elchschaufeln und Hirschgeweihen dekoriert. Die Ladenschilder verrieten Jassie, was dort verkauft wurde. Zum Beispiel “Die besten Fliegen in Montana”. Zum Angeln, selbstverständlich. Jassie schüttelte sich. Die Leute verkauften hier Fliegen? Zu Hause killte sie die Dinger mit Mückenspray. Ihre neuen Nachbarn bezahlten offensichtlich dafür, dass sie welche bekamen. Fliegen zu Sonderpreisen. Großartig.
Der Bus verlangsamte seine Fahrt am Ende einer Reihe von Geschäften. Hier überbrückte die Straße einen kleinen Fluss. An den Ufern standen hohe Bäume. Pappeln, hörte sie einen der Urlauber zu ihrer Sitznachbarin sagen, Espen und Birken. Häuser standen vereinzelt am Fluss.
Hier am Ortsausgang gab es keine Wiesen und Felder, dafür Büsche, Bäume und Blumen, darunter viele Rosen. Jassie irritierte die Vielfalt der Vegetation. Sie war so üppig, so ganz und gar ungezähmt.
Der Bus hielt mit quietschenden Bremsen im Schatten der Bäume. Da die Fenster offen standen, konnte Jassie das laute Vogelgezwitscher hören. Sie seufzte und versuchte, nicht sehnsüchtig an geteerte Straßen, Hochhäuser und den vertrauten Verkehrslärm zu denken.
Grün war keine so schlechte Farbe. Sie hatte mal in einem grünen Apartment gewohnt … Nein, besser nicht an den Mistkerl denken.
Es gab viel Gutes über Grün zu sagen. Angeblich war es eine beruhigende Farbe. Ihre Freundin Rita redete ständig davon. Jassie starrte auf den nächstgelegenen Busch. Er war grün. Doch Jassie fühlte sich davon nicht besser. Sie seufzte. Irgendwie musste sie sich damit abfinden, jetzt hier zu leben. Für ein Jahr. Mindestens.
Der kleine, weißhaarige Busfahrer drehte sich um und rief den Passagieren zu: “Willkommen in Bear Claw, Leute. Gott hat dieses wunderbare Land erschaffen, und Sie können sicher sein, dass Sie hier bestimmt nie wieder wegwollen.”
Nie wieder wegwollen? dachte Jassie. Zwölf Monate, und ich habe einen großen Scheck in der Tasche sowie ein Flugticket in die Stadt. Eine Großstadt. Eine Metropole. Nicht unbedingt New York, wo … Nein, bloß daran nicht denken …
“Wir haben eine Stunde Aufenthalt”, verkündete der Busfahrer. “Sie können sich umschauen, Postkarten kaufen, Kaffee trinken oder was Sie wollen. Um fünfzehn Uhr fahren wir los Richtung Rocky-Canyon-Ranch. Wir brauchen etwa eine Dreiviertelstunde bis dorthin.” Der Mann grinste fröhlich, und Jassie konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Seine gute Laune war ansteckend. Und irgendwie war das Städtchen hübsch.
Neben dem Eingang des Restaurants, vor dem der Bus parkte, befand sich eine große Bank aus Holz, flankiert von zwei geschnitzten Bären. Daneben hölzerne Tröge mit Margeriten und Geranien. Jassie vermied es, hinzusehen.
Sie nahm ihre große Schultertasche von der Kofferablage und verstaute ihren Laptop. Danach hängte
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