Tiffany
hatte einen Computer, einen Laptop, haben Sie den einmal gesehen?«
»Jan besaß keinen Computer«, entgegnete sie. »Der Laptop gehörte mir.«
Ich schaute sie verwundert an. Sie lächelte schalkhaft. »Glauben Sie, die alte Baronin würde noch auf ihrer Schreibmaschine tippen?«
»Ich wage bald gar nichts mehr zu glauben«, bekannte ich. »Sie wussten also, was er vorhatte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wusste nur, dass er sehr stark unter all den Dingen litt, die er auf dem Balkan gesehen und erlebt hatte. Ich glaube, er hatte Angst, sie könnten mir die gleichen Albträume verursachen wie ihm, und vielleicht hat er mir deswegen nie viel darüber erzählt. Aber ich konnte es mir natürlich lebhaft vorstellen, und auch, was mit einem Menschen geschieht, der das alles selbst erlebt. Der Balkan ist eine Brutstätte des gegenseitigen Hasses und der Grausamkeiten, das können wir hier kaum nachvollziehen, selbst wenn wir es im Fernsehen sehen. Jeder kann dort an einem Tag Henker, am nächsten Tag Opfer sein. Es liegt ein Fluch auf diesem Gebiet, das hat der Lauf der Geschichte gezeigt, aber das brauche ich Ihnen vermutlich nicht zu erklären.«
»Nein, Mevrouw«, sagte ich.
Einen Moment lang fühlte ich mich unbehaglich, weil sie mich ansah, als verdächtige sie mich des Spotts und wolle mich dafür tadeln. »Wie dem auch sei«, fuhr sie dann fort. »Jedenfalls habe ich versucht, ihm ein wenig Selbstvertrauen zu vermitteln.«
Sie presste die Lippen zusammen und beichtete dann etwas zögerlich: »Einmal bin ich sehr böse auf ihn geworden. Ich habe zu ihm gesagt, wenn er von Verbrechen wüsste, dann habe er die moralische Pflicht, etwas dagegen zu unternehmen. Ich wollte ihn wachrütteln, das war alles. Vielleicht hätte ich das besser nicht tun sollen.«
»Hat er Sie daraufhin gebeten, sich Ihren Laptop ausleihen zu dürfen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das war erst später. Nach unserem Streit ließ er sich eine Woche lang nicht blicken. Dann kam er eines Nachmittags hierher, um sich bei mir zu entschuldigen. Er war ins Dorf gegangen und hatte Blumen und eine Schachtel Pralinen für mich gekauft, und ich lud ihn zum Essen ein. Während ich kochte, saß er hier und las die Zeitung, und da hörte ich ihn auf einmal sehr hässlich fluchen.«
»Hat er Ihnen erklärt, warum?«
»Nein, aber ich habe den Artikel in der Zeitung gesehen, er handelte von einem niederländischen General, der eine hohe deutsche Auszeichnung erhalten hatte. Jan fragte, ob er telefonieren dürfe.« Sie wies mit einem Nicken auf das Elfenbeintelefon auf dem Sekretär.
»Wissen Sie, wen er angerufen hat?«
Sie runzelte die Stirn, als würde ich sie verdächtigen, die Post anderer Leute zu öffnen. »Nein, ich war ja in der Küche. Aber an diesem Abend fragte er mich, ob er sich meinen Laptop ausleihen dürfe. Er machte plötzlich einen sehr entschlossenen Eindruck.«
»Sie wussten also nicht, dass er ein Treffen mit einem Journalisten vereinbart hatte?«
»Er kam danach zwar noch ein paarmal zum Essen zu mir, aber wir sprachen nicht mehr über Jugoslawien. Das nächste Mal fragte er mich, ob er ein Bad nehmen dürfe, weil er am nächsten Tag eine Verabredung habe. Ich freute mich darüber, denn ich glaubte, er wolle seinen Vater besuchen. Haben Sie Kinder?«
»Einen Sohn«, antwortete ich, überrumpelt. »Aber Jeremy lebt schon seit zehn Jahren in Neuseeland, ich habe kaum Kontakt zu ihm.«
Die Fuchsfrau schaute mich nachdenklich an. »Wir haben über seinen Vater gesprochen. Ich habe ihm erklärt, Eltern könnten eben manchmal ihre Kinder nicht verstehen, aber das müsse nicht heißen, dass sie sie nicht lieben, und ich erklärte ihm, auch die Kinder hätten die moralische Pflicht, den abgebrochenen Kontakt zu ihren Eltern wiederherzustellen.« Es klang, als versuche sie mich zu trösten, aber vielleicht dachte sie dabei auch nur an ihren eigenen Sohn.
»Dieses letzte Mal, war das am vierzehnten April?«
Sie nickte. »Sein Wohnwagen ist in derselben Nacht abgebrannt. Ein Fahrradfahrer auf der Borghlaan sah die Flammen und rief die Feuerwehr. Ich habe es erst am nächsten Tag von der Polizei erfahren. Sie behaupteten, er habe im Bett geraucht. Ich habe es ihnen nicht verraten.«
»Was denn?«
»Dass Jan Nichtraucher war. Aber die Beamten haben sich so unmöglich aufgeführt, sie behaupteten, er hätte Drogen genommen und so weiter, und da habe ich sie einfach wieder weggeschickt ohne zu sagen, dass ich ihn kannte.«
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