Tiffany
doch: Tja, Soldat Poelman, ist ja alles gut und schön, aber wie sind Sie denn dahin gekommen und was haben Sie dort eigentlich gemacht? Fällt dir dazu was ein? Ich brauche dir ja nicht …
Ich ließ vor Schreck den Brief fallen, als auf einmal die Eichelhäher laut anfingen zu kreischen und Wildtauben panikartig aus den nahe gelegenen Fichten aufflatterten. In einem ersten Impuls wollte ich aufstehen und nachschauen, was da los war. Doch gerade noch rechtzeitig erinnerte ich mich daran, dass Vögel nicht ohne Grund aufschreien und flüchten. Ich spähte über die Brüstung und wünschte, mehr erkennen zu können, als das kurze Stück am Waldrand. Dort irgendwo hatten sich die Eichelhäher erschreckt. Ich sah nichts.
Ich fühlte mich unbehaglich. Je stiller es blieb, desto mehr wuchs in mir die Überzeugung, dass sich dort irgendjemand aufhielt, nicht die Fuchsfrau, sondern ein Mensch, den die Vögel als Eindringling betrachteten.
Ich legte meine hohlen Hände um die Vorderseite meines Fernglases, um zu verhindern, dass die Gläser das Licht reflektierten, bevor ich es knapp über dem Rand der Brüstung an meine Augen hielt. Der Futterplatz der Baronin rückte jetzt ganz nahe, und ich ließ den Blick an den Baumstämmen entlangwandern. Ich war schon an der Stelle vorbei und hätte den Mann völlig übersehen, wenn er sich nicht in diesem Augenblick von den Bäumen gelöst hätte und nach vorn getreten wäre. Er bewegte sich geschmeidig und leise. Jetzt stand er regungslos auf der Karrenspur, blickte zu Boden und lauschte. Ich erkannte seine Jeansjacke wieder. Als er sich suchend um die eigene Achse drehte, wandte er das Gesicht in meine Richtung. Blitzschnell duckte ich mich hinter die Brüstung. Einen Moment lang geriet ich in Panik. Ich verfluchte Tiffany, weil meine Pistole sich jetzt in ihrem Beutel anstatt in meiner Hand befand. Ich holte tief Luft und spähte durch eine Lücke zwischen den dünnen Stämmen. Stolz blickte geradeaus über das freie Stück. Ich dachte an sein Telefongespräch mit dem General, und mir war klar, dass der Ex-Sergeant nur hier war, um auf Nummer sicher zu gehen. Er suchte nicht mich, sondern die Keksdose mit Jan van Nunens Aufzeichnungen. Er konnte nicht wissen, dass ich hier war. Er war zum Wrack des Wohnwagens gegangen und …
Natürlich hatte er mein Auto gesehen.
Ich bekam Kopfschmerzen. Es wäre nicht mit rechten Dingen zugegangen, wenn er meinen Wagen für den eines harmlosen Spaziergängers angesehen hätte. Vielleicht hatte er sogar vom Wohnwagen aus anhand von abgebrochenen Zweigen, platt getretenem Gras und umgewühlten Blättern meine Spur verfolgt. Er hatte mich noch nie gesehen, aber er konnte mein Kennzeichen aus Jen verschiedensten Ecken erfahren haben, von dem Straßendealer, dem Hehler oder den Huren.
Stolz blieb eine volle Minute lang mit dem Rücken zu mir gewandt stehen, bis er sich schließlich geschmeidig und verstohlen wie ein Kundschafter am Waldrand entlang entfernte. Möglicherweise hatte er den Hochsitz nicht bemerkt, aber vielleicht war es auch eine raffinierte List von ihm, und er feilte an jener Art heimtückischer Falle, aus der man nur mit einer Pistole wieder herauskam.
Nicht zu sehen, wo er sich aufhielt, war nervenzermürbender, als ihn zu sehen. War er zum Wohnwagen zurückgekehrt, um ein letztes Mal die verbrannten Überreste zu durchsuchen? Er konnte überall sein. Je länger er, der sich so geräuschlos fortbewegte, außer Sicht blieb, desto größer wurde theoretisch die Zahl der Stellen, an denen er unerwartet hätte auftauchen können.
Direkt hinter mir zum Beispiel, oder unter dem Hochsitz. Der Hochsitz war nur für Jäger ein sicherer Ort, denn Hirsche schossen bekanntlich nicht zurück. Ich fühlte mich wie ein Scharfschütze, dem die Waffe aus den verschwitzten Händen geglitten war und der sein Versteck oben auf einem Baum nicht verlassen konnte, ohne sich zu verraten.
Ich konnte nur den Atem anhalten und warten. Ich saß neben der Kiste auf der Plattform aus Baumstämmen, die schmerzhaft in meinen Allerwertesten drückten. Ich nahm den Brief von Poelman wieder zur Hand, aber es dauerte ein Weile, bis ich meine Nerven wieder genügend unter Kontrolle hatte, um den Inhalt des Textes zu erfassen.
Dir brauche ich ja nicht zu erklären, wie es dort war. Oder warum Dummköpfe wie ich zu Bier, Slibowitz und Haschisch griffen, und zu den Huren gingen, je denfalls ich, du warst ja zu der Zeit schon ziemlich daneben. Vielleicht ist ja
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