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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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wollte das nicht, Jan, aber als diese beiden Verbrecher die Leiche aus dem Stall schlei ften, um sie irgendwo zu verscharren, und ich mich endlich traute, sie loszulassen, war sie tot. Einfach unter meinen Händen erstickt, und ich habe in meiner irren Panik nichts davon gemerkt. Ich bin ein paar Stunden lang dort liegen geblieben, neben meinem toten Schlehmilchen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ich bin ein Hosenscheißer, ich habe sie einfach rausgetragen und hinter dem Bauernhof in einem Granattrichter un ter Schutt begraben, wie einen überfahrenen Hund. Was soll ich denn jetzt tun? Wenn ich erzähle, dass ich da gerade eine Nummer geschoben habe, denken die doch gleich, das Mädchen wäre eine prima zusätzliche Zeugin und fahren nach Bosnien, um sie aufzuspüren. Ich weiß, dass sie das tun werden, Grim ist schließlich nicht irgendwer, und das ist ein guter Grund. Sie erfah ren, dass sie tot ist, und entdecken, wie und wann das passiert ist. Und das Ende vom Lied ist dann, dass sie mich als Kriegsverbrecher vor den Kadi zerren anstatt Zukic und den Major. Was soll ich bloß tun? Ich habe vor kurzem mal im Wörterbuch nachgeschaut. Schlehmil bedeutet Pechvogel. Ich warte jetzt erst mal ab.
    Der Zug der Pechvögel.
    Ich legte den Brief zurück in die Dose und blieb noch eine Weile sitzen, beobachtete die Umgebung und lauschte auf Geräusche. Der Wald war still, aber es schien die ganz normale Stille zu sein. Ich überlegte mir, dass Theo eigentlich gar keinen Grund hatte, sich hier noch weiterhin versteckt zu halten, es sei denn, er wusste, dass ich hier oben saß. In diesem Fall würde er abwarten, mit der eisernen Geduld eines Scharfschützen, und dann war es sowieso gleichgültig, was ich tat. Also konnte ich ebenso gut aufbrechen.
    Ich steckte die Dose unter meinen Rollkragenpullover, um die Hände frei zu haben, und bevor ich vorsichtig nach unten kletterte, zerrte ich noch einen Tannenstamm aus der Brüstung, so groß wie ein stabiler Baseballschläger und mit einem langen, rostigen Nagel am Ende. Es gelang mir, den Weg der Baronin wiederzufinden. Hin und wieder blieb ich stehen, um nach verdächtigen Geräuschen zu lauschen. Ich hörte nichts. Kleine Vögel flogen mit Nistmaterial hin und her, um bis zum Mai die Nester für ihre Gelege fertig zu bauen.
    Ich überquerte im Laufschritt die Borghlaan und hielt mich dicht am Waldrand, um ungesehen bis zu der Stelle gegenüber der Brandschneise zu gelangen. Mein Auto stand noch da. Ich beobachtete es eine Weile lang von der anderen Straßenseite aus. Theo könnte eine Bombe darin platziert haben. Er verfügte über Sprengstoff oder konnte jedenfalls schnell daran kommen, wie man gesehen hatte. Aber ich konnte mir nicht so recht vorstellen, dass er die Gewohnheit besaß, mit Sprengsätzen durch die Gegend zu fahren. Nach einer Weile überquerte ich die Allee und drückte den Knopf meiner Fernbedienung. Die Alternative wäre gewesen, zu Fuß zu gehen, den Bus und den Zug zu nehmen und womöglich den Tod eines unschuldigen Autoknackers zu verursachen, falls es so etwas wie einen unschuldigen Autodieb gab. Die Innenbeleuchtung ging an, die Türschlösser klickten. Vielleicht war ihm in einem Anfall von Demenz mein Autokennzeichen nicht aufgefallen, oder er achtete einfach generell nicht auf Nummernschilder.
    Trotzdem hielt ich mich zunächst so weit von meinem Auto fern, wie mein ausgestreckter Arm es zuließ und öffnete die Fahrertür. Es passierte nichts. Ich kontrollierte, was immer es zu kontrollieren gab. Ich entdeckte weder Drähte noch ungewöhnliche Apparaturen. Die Kassette steckte noch im Rekorder des Autoradios, das Pflaumenmus stand noch zwischen den Vordersitzen.
    Das Starten war ein heikler Augenblick, aber ich erreichte die Straße nach Apeldoorn, ohne größere Schäden davonzutragen als ein ruiniertes Nervenkostüm.
    »Sie sind schon der Zweite heute Nachmittag«, sagte Mevrouw van Nunen. »Er ist in seinem Obstgarten.« Sie wies auf eine Koniferenhecke.
    »Wer war denn der andere Besucher?«, fragte ich.
    Sie schaute mir nicht ins Gesicht. Sie sah anders aus als auf der Beerdigung, als sei ihre Trauer einer Art stumpfer Resignation gewichen. »Ich glaube, es war ein Journalist.«
    In einer Lücke zwischen den Koniferen befand sich ein Törchen, und dahinter lag ein sorgfältig gepflegter Obstgarten mit von Spalierbäumen gesäumten Gartenwegen und Reihen von Johannisbeer- und Himbeersträuchern, das Ganze ausgestattet mit einem

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