Tiffany
strohdumm. Ich kann Ihnen den Holzschnitt wieder besorgen, aber es sucht auch jemand nach einer gestohlenen Brieftasche, und wenn ich Sie da raushalten soll, wird das Bild ein bisschen teurer. Oder wir treffen eine andere Abmachung: Sie liefern mir die Brieftasche, und ich werde sehen, dass ich einen guten Preis für Sie aushandle. Dann sind wir quitt, und ich berechne nur einen kleinen Obolus für meine Mühe.«
»Was ist in dieser Brieftasche drin?«
»Das erzählen die mir doch nicht.«
»Und wer sind ›die‹?«
»Ein Mann wie der stellt sich nicht vor.«
»Dann geben Sie mir doch seine Telefonnummer«, sagte ich.
Er schüttelte mitleidig den Kopf. »Bei manchen Leuten denkt man gleich auf den ersten Blick: Den frage ich besser nicht nach seinem Namen oder nach seiner Telefonnummer. Seien Sie froh, dass er nicht weiß, dass ich hier bin oder dass dieses Mädchen bei Ihnen war. Nehmen Sie mich als Mittelsmann, das ist sicherer.«
Ich warf einen Blick zur Seite. Thomas Windhof, der Chef des Maklerbüros, stand vor dem Erkerfenster, träumte von dem Verkauf von Luxushäusern auf dem Land und nickte mir zu. Windhof war auch der Eigentümer dieses Gebäudes, doch er selbst wohnte natürlich in einer Villa mit Swimmingpool vor den Toren der Stadt. Es hatte mich damals einige Mühe gekostet, ihn dazu zu überreden, die Wohnung in der ersten Etage an eine so zwielichtige Gestalt wie einen Privatdetektiv zu vermieten, und er tat sich schwer mit manchen Klienten, die mein Büro aufsuchten und nicht gerade ein Aushängeschild für sein schickes Geschäft darstellten. Doch Windhof war nicht der Grund dafür, dass ich den Hehler vor der Tür stehen ließ, anstatt ihn in den Flur zu schleifen und die Informationen aus ihm herauszuquetschen. Der Mann war nur auf Geld aus und zu nichts weiter nutz. »Wie viel?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Achseln. »Der belgische Kunde hat bereits achtzehnhundert geboten«, sagte er spöttisch.
Zweitausend also. Einen echten Schutz würde mir die Zahlung nicht garantieren. Das Versprechen eines Hehlers war etwa so viel wert wie die Beteuerungen einer Hure im Beichtstuhl. »Ich habe nicht so viel Bargeld im Haus«, sagte ich. »Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, dann rufe ich Sie in den nächsten Tagen an.«
Wieder schaute er die Tasche an. »Das kann sicher einige Zeit dauern, da Sie ja in Urlaub fahren?«
»Ich kaufe den Holzschnitt auf jeden Fall von Ihnen zurück«, versprach ich. »Es sei denn, Sie versuchen, mich übers Ohr zu hauen. In diesem Fall würde ich ihn mir holen kommen.«
Er schien nicht beeindruckt. Mit zwei Fingern pulte er tatsächlich eine Visitenkarte aus seiner Westentasche. Nol Chaski, An- und Verkauf.
Ich steckte sie ein, schloss die Haustür und nahm mir unten an der Treppe eine Minute Zeit, um meinen Fund zu begutachten. Die Kreditkarte war auf J. M. Grimshave ausgestellt, ein Name, der mir irgendwie bekannt vorkam. Ansonsten stand nichts darauf. Bei dem eingeschweißten Rechteck handelte es sich um den Studentenausweis eines gewissen Joris M. Grimshave aus Amsterdam, Student an der juristischen Fakultät zu Leiden. Ich blickte auf das ziemlich nichts sagende Foto eines bleichen jungen Mannes. Jung, reich, verpickelt. Ich steckte die Karten in die Brieftasche, wo sie hingehörten und schob diese hinter mein eigenes, weniger gediegenes Exemplar in meiner Innentasche.
Ich schaute auf meine Armbanduhr. Ich musste von hier verschwinden, aber ich hatte wenig Lust, eine halbe Stunde in Renés Wartezimmer zu hocken und die Zeit mit Friseurzeitschriften totzuschlagen. Die Adresse, die auf dem Studentenausweis stand, lag nur zehn Minuten von mir entfernt.
Ich fuhr einen kleinen Umweg, um mich davon zu überzeugen, dass mir niemand folgte, bevor ich in die Allee am Stadtrand einbog. Sie war von frei stehenden Häusern der gehobenen Kategorie gesäumt, die dem Haus meines Ex-Staatsanwaltes ähnelten. Doch das Haus von Joris, oder, wie ich annahm, von seinen Eltern, wirkte keineswegs so kleinbürgerlich wie die Villa von Meulendijk. Dieses Gebäude erweckte einen grimmigen Eindruck, ein zweistöckiger Bunker aus grauem Backstein, mit Metallfensterrahmen und einem eckigen Garagenanbau. Das Haus war von nackten, akribisch gestutzten Rasenflächen umgeben, als habe der Besitzer ein größeres Interesse an einem freien Schussfeld als an erquickenden Sträuchern und Bäumen. Zwei grimmige Sandstein-Löwenfiguren rechts und links der Auffahrt starrten mich von
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