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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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und ließ sie wie eine Besessene toben, bis sie erschöpft aufgab. Dann begann sie zu schluchzen und laut zu weinen.
    Ich nahm sie in die Arme, drückte sie an mich, sodass sie nicht mehr so herumzappelte und gab ein paar beruhigende Geräusche von mir. »Es wird alles gut, ganz ruhig.« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber sie wurde tatsächlich ruhiger und jammerte nur noch leise vor sich hin. Ich legte sie zurück aufs Bett. »Es tut mir Leid …« Ich breitete die Decke über sie.
    Sie griff nach dem Rand des Bettlakens und wischte sich damit über die Augen. Ich legte ihre Tasche aufs Bett und stand auf. Ich sah, wie sie die Tasche anschaute und schüttelte den Kopf.
    »Bitte«, sagte sie mit kläglicher Stimme. »Nur einen Schuss.«
    »Du schaffst es«, sagte ich. »Du bist kein Junkie. Ich helfe dir. Aber du musst dir auch Mühe geben.« Mir war klar, wie lächerlich meine Worte klangen. Die Welt, in der sie lebte, funktionierte nicht so.
    Die drei Patienten, die bereits seit einer halben Stunde im Wartezimmer saßen und alle hofften, dass sie als Nächster an die Reihe kämen, protestierten prompt, als ich aufstand, um ihren hereinkommenden Hausarzt abzufangen.
    »Ein Notfall«, stieß ich gehetzt hervor. »Es geht um Leben und Tod!« Ich hatte zwar nicht den Eindruck, dass sie mir glaubten, aber ich drängte René in sein Sprechzimmer und schloss die Tür hinter mir. Er schaute mich verdutzt an.
    »Ich brauche eine Krankenschwester«, erklärte ich.
    »Ich könnte mich auch an eine Zeitarbeitsfirma wenden, aber wenn du eine kennst, geht es bestimmt schneller.«
    »Bist du krank? Du siehst schlecht aus.«
    »Ich meine eine Krankenschwester, die mit Drogensüchtigen umgehen kann.«
    Er schaute mich mit großen Augen an. »Hast du immer noch diese Nutte am Hals?«
    »Eine Kollegin von ihr wurde ermordet, sie muss eine Weile aus dem Verkehr gezogen werden, und sie braucht eine Betreuung.«
    René vergaß seine Patienten. »Ein Mord?«
    Er hätte Polizeiarzt werden sollen, dann hätte er sich jeden Tag Ermordete anschauen können. »Ich erzähle es dir später«, versprach ich. »Du hast ja jetzt keine Zeit. Und ich habe auch keine. Ich brauche jetzt erst mal eine Krankenschwester, die Erfahrung mit Abhängigen hat, und ich brauche Medikamente. Du hast das Mädchen gesehen, du weißt, was das Richtige für sie ist.«
    »Und wenn es schief läuft, kriege ich eins aufs Dach?«
    Ich schwor ihm, dass er keinerlei Verantwortung trug. Er brachte noch ein paar Einwände hervor, versprach aber schließlich, jemanden für mich ausfindig zu machen.
    Unsere Straße machte einen friedlichen Eindruck. Es war noch früh. Ein alter Herr führte seinen Rassehund spazieren. Ich sah weder verdächtige Autos noch Leute, die unauffällig so taten, als interessierten sie sich nicht dafür, wo ich wohnte. Ich fuhr an meinem Haus vorbei und stellte meinen BMW auf einen Parkplatz, von dem gerade ein Nachbar wegfuhr, dessen Gattin ihm im Morgenmantel hinterherwinkte. Ich schien der Einzige weit und breit, der sich nicht wohl in seiner Haut fühlte.
    Die Makler im Erdgeschoss waren noch nicht eingetroffen. Im Haus war es sehr still, man hörte noch nicht einmal Geigenspiel, da sich Setsuko mit dem Concertgebouw-Orchester auf einer Amerika-Tournee befand. Sie hielt in ihrer Dachgeschosswohnung glücklicherweise keine Katzen oder Kanarienvögel, und ihre Bonsais benötigten nur einmal pro Jahr einen kleinen Schwapp Wasser.
    Ich schloss die Eingangstür hinter mir und stieg, nach allen Seiten hin wachsam, hinauf zu meiner Etagenwohnung. Ich musterte meine Haustür. Die Büroklammer, für CyberNel ein lächerliches Alarmsystem, steckte an ihrem Platz, in der Scharnierkante zwischen Tür und Rahmen.
    Alles in Ordnung.
    Das Schlafzimmer sah genauso aus, wie Tiffany es hinterlassen hatte, das Fenster einen Spalt offen, das Bett hastig gemacht, Margas Nachthemd am Fußende. Ich wusste nicht, wie viel Zeit mir blieb. Ich versuchte mir vorzustellen, was genau sie getan hatte. Wahrscheinlich war sie mitten in der Nacht wach geworden, hatte nach ihrer Tasche gegriffen, sich die Brieftasche angeschaut. Sie hatte das Geld rausgenommen und in die Tasche gesteckt, den Rest weggeworfen, aber die Brieftasche behalten, denn die war bares Geld wert.
    Der Hehler wollte sie nicht haben. Wieso nicht? Wahrscheinlich hatte er den Dürer akzeptiert, aber warum nicht auch die Brieftasche? War sie ihm zu heiß? Hatte er bereits einen Tipp erhalten, dass

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