Tiffany
Blick wurde so bodenlos traurig, dass ich aufrichtig Mitleid mit ihr hatte.
»Hol ihn dir doch selber.« Sie ließ ihre Arme sinken, als wolle sie zumindest die Brosamen genießen.
Ich seufzte. Sie blieb regungslos stehen, als ich einige stoffbezogene Knöpfe unterhalb ihres Halses öffnete. Ich fuhr mit der Hand unter das Kleid und suchte nach dem Schlüssel. Sie trug keinen BH. Sie legte ihre Hand auf das Kleid und hielt meine Hand unter dem Stoff fest. »Nicht so schnell«, flüsterte sie.
Sie war völlig verrückt, aber ihre Haut war natürlich genauso empfindsam wie die eines jeden anderen, ob dick oder nicht.
»Wo wohnt Joris in Leiden?«, flüsterte ich.
»Brouwersgracht zwölf«, hauchte sie träumerisch zurück. »Eine Studentenbude in der Innenstadt.«
»Aber vorgestern war er hier?«
Sie schob meine Hand ein wenig auf ihrer Brust hin und her, und ich ließ es zu – es war der Preis für ihre Antworten. »Ja«, sagte sie leise. »Er hat sich mit meinen Vater gestritten.«
»Worum ging es?«
»Er hatte sich sein Auto und seinen Aktenkoffer gelie hen. Hast du noch mehr Fragen?«
»Noch ein oder zwei.« Ihre Brustwarze war groß und hart. »Was für ein Auto ist es?«
»Der neue Audi.«
»Wozu brauchte er den?«
»Weiß ich nicht. Joris hat doch einen Knall.«
Ein Familienleiden.
Sie hielt die Augen geschlossen und stöhnte leise, wäh rend ich auf dem Weg zu ihrem Bauch ihre riesigen Brüs te beiseite schob. Ich hoffte, dass der Schlüssel nicht tie fer als irgendwo zwischen den Falten oberhalb des lose geschlungenen Baumwollgürtels gelandet war. Meine Odyssee auf dem Weg dorthin glich einem erotischen Albtraum, und ich kämpfte gegen meine aufsteigenden Lustgefühle an.
Ich berührte den Schlüssel, klemmte ihn zwischen zwei Finger und zog meine Hand langsam aus ihrem Kleid heraus.
Ich ging rückwärts.
Flora stand still da und lehnte an der Badezimmertür, als könne sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Sie hielt die Augen geschlossen, eine Hand auf der Brust, die andere zwischen den Beinen.
Ich glaube, sie merkte kaum, dass ich mich umdrehte, die Tür aufschloss und leise fortging.
Die Sprechstundenhilfe in der Gemeinschaftspraxis erklärte mir mit leicht pikiertem Gesichtsausdruck, dass Mevrouw Keereweer bereits beim Doktor gewesen und mit einem Rezept zur Apotheke gegangen sei.
Die Apotheke befand sich nur zwei Türen weiter. Ich sah nur eine Kundin, eine magere Frau in einem stahlblauen Regenmantel. Sie sah eher aus wie eine Patientin denn wie die Löwenbändigerin, die mir vorgeschwebt hatte, und die Fläschchen und Schächtelchen, die der Apotheker vor ihr auf der Theke aufbaute, enthielten gewiss Eisentabletten und Mineralien zur Bekämpfung chronischer Blutarmut.
Die Apothekenhelferin streckte die Hand aus, um mein Rezept in Empfang zu nehmen.
»Ich suche Mevrouw Keereweer«, sagte ich. »Ist sie schon wieder weg?«
Die vermeintliche Patientin warf einen flüchtigen Blick zur Seite. Ich sah das Aufblitzen hellblauer Augen in einem schmalen, farblosen Gesicht. »Ich bin Nina Keereweer«, sagte sie und widmete sich wieder ihrer Sammlung.
»Max Winter.«
Sie hatte einen verkniffenen Mund mit Lippen so dünn wie eine Messerschneide. »Ich bin sofort fertig.« Sie ignorierte mich und schaute den Apotheker an. »Das Clonidin ist nur als Alternative gedacht, ich weiß ja nicht, was mich erwartet. Wenn ich die Symptome mit Doxepin in den Griff kriegen kann oder sogar mit normalem Valium …«
»Sie müssen aber mit einem eventuellen Blutdruckabfall und anderen Nebenwirkungen rechnen, die eine stationäre Behandlung erforderlich machen würden«, gab der Apotheker zu bedenken. »Dabei hat sich Lofexidin ganz gut bewährt. Der Wirkstoff ist verwandt …«
Die beiden wussten, wovon sie redeten. Ich stand etwas dümmlich daneben. »Für den Blutdruck habe ich Novadral, und ich werde mich nicht auf Experimente einlassen«, erklärte meine Krankenschwester in bestimmten Ton.
Der Apotheker murmelte etwas von Methadon und zog missmutig eine andere Schublade auf. Seine Angestellte tippte die Preise in die Kasse ein und fing an, Schachteln, Fläschchen, Injektionsnadeln und andere medizinische Utensilien in eine Plastiktüte zu packen. Es schien genug für ein ganzes Kriegslazarett.
»Ich bin fertig, Sie können bezahlen«, sagte die Krankenschwester, nahm die Tasche und ging zur Tür.
Die Apothekenhelferin schaute ihr nach und fragte mich: »Sind Sie versichert?«
»Ich zahle
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