Tiffany
gesamte Existenzgrundlage, ja, ein großer Teil ihres Daseins, war in Flammen aufgegangen.
Ich konnte sie nicht einmal mit dem Argument trösten, dass der Mann einen Grund dazu gehabt hatte, so, wie ein Düsenjägerpilot einen Grund dazu hat, ein strategisch wichtiges Verbindungszentrum in Schutt und Asche zu bombardieren. Denn so war es nicht. Ihr Hauptcomputer war eingeschaltet gewesen, die Diskette hatte im Laufwerk gesteckt. Innerhalb von zwei Minuten hätte der Mann feststellen können, dass sie keine Kopie angefertigt hatte. Es war eine sinnlose und sadistische Tat gewesen.
Von vorn anzufangen, schien eine übermenschliche Aufgabe zu sein. Ich wusste, dass Nel sie auf sich nehmen würde, weil sie zu der unverwüstlichen Sorte gehörte. Ich wurde von dem ohnmächtigen Verlangen überwältigt, ihren Schmerz zu lindern und den Schaden wieder gutzumachen. Ich liebte CyberNel, sie war meine Kameradin und mehr als meine Schwester. Sie lag mir am Herzen.
Später hatte ich einen wunderbaren erotischen Traum, in dem sie leise und mitten in der Nacht in mein Hotelzimmer geschlichen kam und sich an meinen Rücken kuschelte. Ich spürte die Wärme ihres Körpers und die Bewegungen ihrer Hände; eine lag auf meiner Schulter, die andere glitt über meine Hüften und unter meinen Schlafanzug und versetzte mich mit spielenden Fingern und schmetterlingszartem Streicheln rund um die Spitze meiner Erektion in Ekstase.
Ich wollte in diesem Traum verweilen, bei dem leichten, schmeichlerischen Druck der Brüste an meinem Rücken, und ich versuchte, mich gegen ein allmähliches Erwachen daraus zu wehren. Doch ich wurde mir eines’ Kondoms bewusst, das sachte über mich geschoben und gerollt wurde. Die andere Hand versuchte, mich mit sanftem Druck auf den Rücken zu rollen, aber inzwischen war ich ganz wach.
»Tiffany, hör auf!« Ich drehte mich zu ihr um. »Du hast dich im Zimmer geirrt, und im Mann.«
Sie langte nach unten, kicherte und flüsterte: »Nicht im Mann.«
»Das ist der Teil ohne Gehirn.« Ich fand den Schalter des Nachttischlämpchens.
Ihr Gesicht lag im Schatten meiner Schultern. »Aber man muss doch nicht immer über alles nachdenken.« Sie schmiegte sich an mich. »Bitte. Ich will doch nur …«
»Aber ich will nicht«, unterbrach ich sie. »Geh jetzt bitte in dein Zimmer.«
Sie fuhr gekränkt zurück und blieb eine Weile lang still liegen. »Du denkst sicher: Die ist doch nur eine Nutte«, sagte sie verbittert, als könne sie meine Abweisung ohne eine plausible Erklärung nicht akzeptieren. »Ich stecke dich mit nichts an, bestimmt nicht.«
»Hör auf. Um so etwas geht es mir gar nicht. Es hat auch nichts mit dir zu tun. Ich will keine Komplikationen, und das hier ist nicht in Ordnung, das hat gar nichts mit deiner Person zu tun.«
Wieder schwieg sie und suchte nach einem anderen Grund. »Du willst mich einfach so schnell wir möglich loswerden, genau wie alle anderen«, sagte sie niedergeschlagen.
Ich seufzte und erwiderte: »Ich weiß nicht, wer diese anderen sind, aber das Einzige, was ich will, ist, dass du wieder gesund wirst und ein normales Leben führen kannst.« Mir lag ihr richtiger Name auf der Zunge, aber ich sprach ihn nicht aus. »Ich tue mein Bestes, um dir zu helfen, aber mach es doch nicht noch komplizierter, als es ohnehin schon ist.«
Sie fing an zu weinen. »Ich bin so allein«, flüsterte sie.
Ich zog sie an mich und drückte sie. Mein Schlafanzug wurde an der Schulter von ihren Tränen durchnässt. Ich spürte ihre Brüste und roch ihren Körper, aber im Wachzustand war jeder Gedanke an Sex verschwunden.
Nach einer Weile schlief sie ein. Die Jammerschreie der Käuzchen im alten Apfelbaum erinnerten mich an Marga. Ich war erfüllt von einer tiefen Einsamkeit.
8
Frederik Brendel war am Telefon ziemlich kurz angebunden. »Tut mir Leid, das ist mir zu vage. Meine Aufgabe besteht darin, Informationen zu sammeln und nicht, sie gratis weiterzugeben.«
»Sie haben doch vor kurzem einen Tipp bekommen, dass ein niederländischer Offizier in Kriegsverbrechen verwickelt sein soll«, sagte ich.
Ich hörte, wie er zögerte. »Sind Sie von einer Behörde?«
»Ich bin Privatdetektiv.«
Wieder schwieg er einen Moment lang. »Haben Sie mit jemandem von Dutchbat gesprochen?«, fragte er dann.
»Ich habe Informationsmaterial gesehen, das eigentlich für Sie bestimmt war«, erklärte ich. »Aber ich kann nicht am Telefon darüber reden. Ich bin in Amsterdam. Ich werde nicht mehr als eine
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