Tiffany
schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch nicht einmal, wie er heißt. Du vielleicht?«
»Noch nicht.« Ich verschwieg ihm den Namen, denn er würde sich wahrscheinlich sofort nach Jan van Nunen auf die Suche begeben und mir dabei im Wege sein. »Hat er dich angerufen?«
»Zwei Mal.« Brendel spreizte die Hände und schaute sie niedergeschlagen an, als nehme er es seinen Fingern übel, dass sie sich eine Story hatten entgleiten lassen. »Das erste Mal vor ein paar Wochen. Er wollte mir seinen vollständigen Namen nicht verraten und sagte nur, dass er Jan hieße. Er hat sich ziemlich paranoid angehört. Er war bei Dutchbat gewesen und wollte, dass ich einen Artikel über die Kriegsverbrechen in Bosnien schreibe, beziehungsweise darüber, inwiefern einer unserer Offiziere daran beteiligt war. Du weißt ja, was damals in Srebenica passiert ist, und dass alles, was irgendwie damit in Verbindung gebracht wird, noch immer ein heißes Eisen ist. Aber es ginge nicht um Srebenica, sondern um die Zeit vier Jahre zuvor. Leider hat sich der Junge viel zu vage und wirr ausgedrückt. Ich hab mir gedacht: Wieder so einer mit Jugoslawien-Syndrom. Nach einer Weile habe ich ihm das Wort abgeschnitten und gesagt: Lieber Junge, wenn du beweisen kannst, was du da alles behauptest, ruf mich noch mal an.«
Ich trank von meinem Kaffee. »Hat er Grimshave namentlich erwähnt?«
»Ja. Er hat mich angerufen, weil er meinen Namen am selben Tag über einem Artikel gelesen hatte, in dem es um eine hohe deutsche Auszeichnung für Grimshave ging.«
»Warst du bei der Verleihung dabei?«
»Nein, es war normale Redaktionsarbeit.«
»Hast du Grimshave überprüft?«
»Nein, warum denn auch?« Brendel schüttelte den Kopf. »Ich hatte die ganze Geschichte bereits wieder vergessen, als er mich letzte Woche noch einmal anrief. Er sagte, er habe alle Beweise gesammelt und für mich auf einer Diskette abgespeichert. Ich erinnerte mich daran, dass die Staatsanwaltschaft versucht hatte, in Haarlem einen bosnischen Asylanten zu verhaften, dem Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden, und genau davon sprach auch der Soldat. Da dachte ich, dass vielleicht doch etwas dahinter steckt. Ich habe mich am nächsten Morgen mit ihm verabredet. Ende der Geschichte.«
»Hast du mit irgendjemandem darüber gesprochen?«
Brendel warf mir einen mitleidigen Blick zu. »Ich glaube nicht, dass es viele Journalisten gibt, die so etwas hinausposaunen würden.«
»Bei der Zeitung vielleicht?«
»Ja, auf der Redaktionssitzung.«
»Hast du Grimshavens Namen genannt?«
»Du kannst keine Titelstory für die Wochenendausgabe beanspruchen, ohne zu erläutern, worum es darin geht. Die Vorstellung, dass der Berater des Verteidigungsministers in Kriegsverbrechen verwickelt sein soll, hat ziemlichen Aufruhr verursacht.« Seine Stimmte klang ein wenig verteidigend. »Aber es war ein Sturm im Wasserglas, denn am nächsten Morgen habe ich eine Stunde lang an diesem Tisch gesessen und mich zum Deppen gemacht. Jan ist nicht erschienen. Damit war es Essig mit Seite eins.«
CyberNel saß aufbruchbereit in der Empfangshalle der Klinik, als ich kurz nach zwölf Uhr dort ankam. Ich gab ihr einen Kuss und hielt sie auf Armeslänge von mir weg, um sie anschauen zu können. »Tut’s noch sehr weh?«
»Es geht, solange du mich nicht zum Lachen bringst.« Sie zog ihr Clownsgesicht und legte eine Hand an die Stelle auf ihrer schwarzen Jacke, unter der die geprellten Rippen lagen. »Das Krankenhaus hat meine Sachen gewaschen und gebügelt.«
»Du siehst jedenfalls ganz manierlich aus.«
»Das hier ist alles, was ich zum Anziehen habe.«
»Dann lass uns erst einmal einkaufen gehen.«
»Du hast schon ein armes Waisenkind. Ich kann für mich selbst sorgen.« Sie klopfte auf ihre Jeansjacke. »Ich habe noch Glück im Unglück, dass ich meine Kreditkarten in der Tasche hatte und etwas Geld gespart habe.«
Sie marschierte entschlossen vor mir her und winkte im Vorübergehen den Damen am Empfangsschalter zu. Draußen blieb sie kurz stehen, um den Krankenhausgeruch aus der Nase zu vertreiben und Stadtluft zu schnuppern.
»So haben wir nicht gewettet«, sagte ich, als wir im Auto saßen. »Ein Waisenkind ist nicht wie das andere. Ich lasse dich nicht allein.«
Sie lehnte sich zurück. »Das ist lieb von dir, aber es ist nicht nötig. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich es möchte.«
»Du kennst aber mein Frühjahrsangebot noch nicht.«
Sie schaute mich an. Ihr Blick war jetzt um einiges trauriger,
Weitere Kostenlose Bücher