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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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eingegangen.« Ich stand auf und küsste sie noch einmal, diesmal auf die Stirn, und streichelte ihre Wange. Ich fühlte mich elend, es war meine Schuld, ich war für all das verantwortlich. »Schlaf jetzt.«
    Sie nahm noch einmal kurz meine Hand und hielt sie an ihre Wange, als erriete sie meine Gedanken und wollte sagen, dass sie mir keinen Vorwurf machte.
    Tiffany war leider noch nicht zu Bett gegangen, befand sich in einem aufgekratzten Zustand und wollte reden, wissen, was ich erlebt hatte, eine Zigarette rauchen, etwas trinken und vielleicht auch einen Schuss, aber Letzteres konnte ich mir auch eingebildet haben, denn sie erwähnte es mit keinem Wort. Nina Keereweer hatte ihr ein Medi kament verabreicht, das, wie ich vermutete, den Kick des täglichen Heroindrucks kompensierte. Tiffany machte einen rotzfrechen und lebenslustigen Eindruck; wahr scheinlich hatte sie ihr Valium oder was auch immer sie zum Schlafen einnahm noch nicht geschluckt.
    Ich war wirklich nicht in der Stimmung für eine hell wache Tiffany. Ihr Lächeln verschwand, als ich ihr von dem Anschlag auf CyberNel erzählte.
    »War es derselbe Mann, der Fleur ermordet hat?«, frag te sie.
    »Wahrscheinlich.«
    »Warum hat er das getan?«
    »Nun ja«, begann ich mürrisch, »das ist doch logisch. Er war auf der Suche nach …« Ich schwieg abrupt. In Gedanken war ich so sehr mit CyberNel und der Verwüs tung ihrer Dachwohnung beschäftigt gewesen, dass mir erst jetzt klar wurde, dass für Tiffany keine Gefahr mehr bestand.
    Der Koffer war gefunden worden, die Diskette wieder beim General. Das bedeutete, dass Tiffany sich wieder auf die Straße wagen konnte. »Theo« war kein Dummkopf. Tiffany hatte ihn nie gesehen, und sie war nie im Besitz der Diskette gewesen. Die sicherste Art, mit Tiffany um zugehen, war, sie in Ruhe zu lassen. Das galt im Übrigen auch für CyberNel, und sogar für mich. Ohne die Disket te verfügten wir über keinerlei Beweise und nur wenige Anhaltspunkte. Sie brauchten sich keine Sorgen mehr zu machen.
    »Nach dem Schlüssel?«, fragte Tiffany.
    Ich nickte, ohne zu überlegen. »Deswegen haben sie auch meine Wohnung auf den Kopf gestellt.«
    »Scheiße«, sagte Tiffany. »Ich kann also noch nicht hier weg.«
    Ich lavierte mich um eine knallharte Lüge herum. »Möchtest du das denn so unbedingt?«
    Sie schaute mich an, ohne mir zu antworten. Ich versuchte, mir einzureden, dass ich verantwortlich für sie sei und dass ich irgendwo tief in der düsteren See ihrer Augen die Sehnsucht erkannte, von ihren Dämonen erlöst zu werden, aber andererseits war ich nun einmal kein Missionar. Tiffany ging mich im Grunde nichts an. Sie war eine streunende Katze. Streunende Katzen verjagt man mit Steinen von seinem Grundstück. Nur manchmal schaut einen eine so traurig an, dass man gerne einen Versuch wagen will, sie von ihrer Krankheit zu kurieren. So ein Exemplar hatte ich von der Straße aufgelesen, gewaschen, gebadet und ins Bett gesteckt. Sie tat mir Leid, aber vor allem hatten mich ihre Dämonen neugierig gemacht, und mir wurde klar, dass ich mir einfach die Zeit nehmen wollte, die Geschichte von Madelon Cornelius zu erfahren. Einen Anhaltspunkt hatte ich schon: einen Namen und eine Adresse.
    »Du wirst es wohl noch eine Weile mit Schwester Nina hier auf dem Bauernhof aushalten müssen«, sagte ich leichthin. »Meinst du, du wirst das überleben?«
    »Doch, schon.« Sie empfand meine Bemerkung nicht als witzig. Ich konnte mir vorstellen, dass sie in eine Art mentalen Dämmerzustand hineingeraten war, in der sie zwischen den Dämonen Tiffanys und Madelons hin- und hergerissen wurde. Vorläufig konnte ich jedoch nur raten, welche ihr die meisten Albträume bescherten.
    Als ich mir die Zähne putzte und mein Gesicht abtrocknete, sah ich, wie die Augen des Mannes im Spiegel feucht wurden bei dem Gedanken an CyberNel in ihrem Krankenhausbett. Sie konnte bestimmt nicht schlafen, weil ihr der Verlust ihrer Dachwohnung nun nach und nach in vollem Umfang bewusst wurde. Ich konnte ihren Schmerz nachfühlen, als sei es mein eigener, und siedend heiße Wut pochte in meinem Kopf, wenn ich an die kaltblütige Willkür dachte, mit der ein Vasall des Generals mit einem einzigen Streich, als schlüge er eine Mücke an der Wand tot, alles vernichtet hatte, was Nels Leben sinnvoll und aufregend gemacht hatte, jedes Schräubchen und Drähtchen, ihre Computer, ihre Programme, das Resultat von zehn Jahren Schufterei und Erfindungsgeist. Praktisch ihre

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