Tiffany
nach unten gerannt … Als ich aufgemacht habe, wusste ich sofort, dass etwas faul war. Ich wollte auf die Straße flüchten, aber ich kam nicht vorbei. Ich kriegte einen Schlag auf den Kopf und bin auf dem Operationstisch wieder aufgewacht.«
»Hast du den Mann gesehen?«
Nel wusste, worauf sie achten musste, selbst in einem Moment panischer Angst. »Er trug einen Hut und eine Sonnenbrille. Er hatte ein quadratisches Gesicht und war etwa so groß wie du. Er trug einen braunen Anzug, und er war sehr stark.«
Theo? Auf jeden Fall ein Kerl, der professionell genug war, um nicht durch einen unnötigen Mord Aufsehen zu erregen. Wenn sie ihn deutlicher gesehen hätte, läge sie womöglich gar nicht hier, sondern unten im Keller bei Fleur.
Ich beugte mich zu ihr hinunter und küsste sie auf den Mund. »Ich werde ihm den Kopf abreißen«, versprach ich. »Was war denn nun in dem Koffer drin, außer dem Kokain?«
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, als suche sie Trost im Abdruck der meinen. »Eine Diskette«, sagte sie. »Ganz unten in einem Seitenfach. Der Junge hat sie einfach übersehen.«
»Was war drauf?«
Nel winkte ab. »Ich hatte sie gerade erst in den Computer eingelegt und bin sie nur einmal schnell durchgegangen …«
»Konntest du sie einfach so lesen? Ohne Passwort?«
»Ja, ich bin ganz leicht reingekommen …« Sie unterbrach sich und schüttelte vorsichtig den Kopf. »Es war nur ein Ordner drauf mit dem Namen ›Major Grimshave.‹ Sie stammte von einem Soldaten, Jan van Nunen aus Hoenderloo. Er war ein BBTer, einer der Beroepssoldaten Bepaalde Tijd, den Nachfolgern der früheren Wehrpflichtigen.«
»Ich weiß, was ein BBTer ist.«
Nel tätschelte mir die Hand, als wolle sie mich bitten, Geduld mit ihr zu haben. »Van Nunen hat beim Dutchbat-Bataillon gedient, den niederländischen Blauhelmen im ehemaligen Jugoslawien, bei dem auch Grimshave war, damals noch im Rang eines Majors. Er beschuldigt Grimshave der Beihilfe zu Kriegsverbrechen, der Unterstützung eines Kriegsverbrechers und des Mordes an Zeugen.«
»Weiter«, forderte ich sie auf. »Wer waren diese Zeugen?«
»Zwei andere BBTer.« Sie bewegte ihre Hand, die ich noch immer in meiner hielt. Ich hatte das Gefühl, dass sie allmählich einnickte, vielleicht enthielt die Infusion ein Schlafmittel. »Ich habe nur den Anfang gelesen, es war eine Art Brief an einen Journalisten. Für ihn war die Diskette bestimmt.«
»Erinnerst du dich an seinen Namen?«
Nel runzelte die Stirn. »Frederik Brendel, glaube ich.«
Ich sah, dass das Nachdenken sie ermüdete. »Vielleicht solltest du jetzt erst einmal ein bisschen schlafen.«
»Gleich. Es geht um einen serbischen Polizeikommandanten aus Bosnien, einen Kriegsverbrecher. Grimshave hat ihn geschützt und dafür gesorgt, dass er unter einem falschen Namen Asyl in den Niederlanden erhielt. Die Staatsanwaltschaft bekam Wind davon, doch bevor sie ihn verhaften konnten, war der Mann spurlos verschwunden, und zwar laut dieses Soldaten durch die Mithilfe von Grimshave, der im Ministerium sitzt, daher rechtzeitig informiert war und ihn beizeiten anderswohin verschwinden lassen konnte.«
»Hattest du den Eindruck, dass diese Anschuldigungen in irgendeiner Form plausibel klangen? Gibt es Beweise?«
Sie nickte. »Warum sollten sie sich sonst auch solche Mühe geben, diese Diskette in die Hände zu bekommen? Es gab alles Mögliche, Zeitungsberichte, Kopien von Briefen, einer handelte vom Tod eines anderen Dutchbat-Angehörigen, ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Es war auch etwas über das Den Haager Kriegsverbrecher-Tribunal dabei …«
»Warum ist er damit nicht zur Polizei gegangen?«
»Aus Angst. Grimshave hat seine Finger überall drin …« Ihre Augenlider begannen zu flattern »Jetzt kriege ich Kopfschmerzen wegen dir.«
»Ich komme dich morgen abholen«, versprach ich. »Kannst du irgendwo vorübergehend unterkommen?
Deine Dachwohnung musst du dir leider aus dem Kopf schlagen.«
Sie schloss die Augen. »Kann ich aber nicht«, flüsterte sie.
Sie fing leise an zu weinen und schüttelte den Kopf hin und her, obwohl ihr diese Bewegung sichtlich Schmerzen bereitete. Ihre Stimme zitterte. »Ich verstehe nicht, warum sie das getan haben.«
»Sie hatten Angst, dass du die Diskette kopiert hattest.«
»Aber sie steckte doch noch in meinem Computer. Sie hätten sie einfach rausholen und notfalls den Computer zerstören können.«
»Sie sind keinerlei Risiko
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