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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Fenster. »Er muss uns beobachtet und auf den richtigen Moment gewartet haben.«
    »Ich hätte ihn spüren müssen.« Hari legte seine Fäuste auf die Schenkel. »Ich hätte wachsamer sein sollen. Ich wusste, irgendwann würde er sich uns nähern.«
    »Du hast uns gewarnt, Hari. Wir alle wussten es, aber wir konnten ihn trotzdem nicht daran hindern.« Blue deutete auf die Straße. »Witterst du irgendwas?«
    Hari schloss die Augen und lauschte seinem Herzen. »Sie bewegen sich jetzt in nordöstlicher Richtung.«
    Blue nahm die nächste Ausfahrt, und sie fuhren eine Stunde schweigend weiter. Die Stille wurde nur unterbrochen, wenn eine Kugel aus Haris Körper austrat und auf seinen Sitz fiel. Es waren zehn Kugeln, und jedes Mal, wenn er eine ausstieß, ertönte ein Chor von leisem Zischen.
    Es wurde dunkel. Sie ließen die Stadt hinter sich zurück, die Vorstädte wichen Ackerland, das wiederum Wäldern, und die Straße lag bald im Schatten immergrüner Bäume, die die Sterne verdeckten.
    Sie bogen gerade um eine Kurve, als Blue eine Reihe von Flüchen ausstieß. Einen Augenblick später stotterte der Motor.
    »Scheiße, nicht auch noch das!«, sagte Dean.
    »Scheiße, ja.«
    Der Motor erstarb, und sie rollten auf den Streifen neben der Straße. Hari sprang heraus, bevor der Wagen zum Stillstand gekommen war. Seine Augen wurden schärfer, und die nächtliche Welt wurde so deutlich wie im hellen Tageslicht. Er lauschte, fand die Richtung und lief in den Wald, während er sich in einen Tiger wandelte.
    »Was hast du vor?«, rief ihm Artur nach.
    Hari wirbelte herum, während das Fell in Wellen über seine Haut wuchs und er wie in goldenes Licht getaucht dastand. »Sie ist nah. Ich kann nicht warten.«
    Er drehte sich wieder um und rannte weiter, bevor die Männer auch nur ein Wort sagen konnten. Er schloss sich gegen alles ab, außer gegen seine Wahrnehmung von Dela. Erst lief er auf zwei Beinen, dann ließ er sich auf alle viere fallen. Der Tiger verdrängte den Mann und stürmte in langen Sprüngen durch den Wald.
    Ich komme, rief er ihr zu und streckte jede Faser seines Körpers nach ihr aus. Halt durch, Delilah. Halt durch.
    *
    Durchhalten war auch so ziemlich das Einzige, wozu Dela noch imstande war.
    Die Dunkelheit hatte sie verschlungen, Bilder aus ihren Träumen zuckten durch ihr Bewusstsein. Der Kerker hatte sie am Ende doch gefunden.
    Nachdem der Magier verschwunden war, lag sie reglos da und spürte ihren Verletzungen nach. Ihre Rippen könnten gebrochen sein, oder aber sie waren besonders schwer geprellt. Jeder Atemzug war schmerzhaft, und wenn sie sich bewegte, hätte sie sich fast übergeben. Sie würgte auch, aber es kam nichts heraus. Es war nur ein trockenes Würgen, und wegen der Schmerzen in ihren Rippen wäre sie fast ohnmächtig geworden.
    Dela schluckte mühsam und setzte sich langsam auf, Zentimeter um Zentimeter, bis sie sich an den Holzpfeiler lehnen konnte. Sie sah nichts und schloss schließlich die Augen. Ihr schwindelte, wenn sie versuchte, in dieser Dunkelheit etwas zu erkennen. Vielleicht hatte sie ja sogar eine Gehirnerschütterung davongetragen.
    Der Magier hatte Dela die Hände mit Handschellen auf den Rücken gebunden. Sie testete das Material mit ihrem Verstand, rang den Schmerz nieder, um sich besser konzentrieren zu können. Die Handschellen erzählten keine Geschichte, und die Kettenglieder entglitten ihrem Bewusstsein, so ungreifbar wie Wasser, bis - Dela hielt die Luft an - bis sie eine Reibung spürte, etwas Fassbares. Sie machte sich mit dieser Empfindung vertraut, ließ das Metall Form annehmen, und ihr mentaler Griff wurde immer fester, bis sie schließlich fest genug zuzupacken vermochte, um an den Gliedern zu zerren und mit dem Metall zu ringen.
    Alles tat ihr weh, aber sie konzentrierte sich immer und immer wieder auf die Glieder, atemlos vor Schmerz und wegen des Gestanks von Blut. Das war ihr eigenes Blut. Manchmal wurde es einfach zu viel, ihre Konzentration nahm ab, und sie musste ausruhen, bevor sie wieder von vorn anfangen konnte.
    Nichts ist so verwunderlich, wie eine Kugel aufzuhalten. Blue hatte recht. Ich hätte Experimente machen sollen, üben sollen, die Grenzen meiner Macht ausloten sollen.
    Wenn Dela an die Männer dachte, vor allem an Hari, so gab ihr das Kraft. Sie würden nach ihr suchen, obwohl sie nicht damit rechnen konnte, dass sie schon bald hier eintrafen. Dela konnte sich nicht vorstellen, dass der Magier Spuren hinterlassen hatte.
    Über sich

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