Tiger Eye
hörte sie ein Ächzen. Die Bodenbretter knarrten, jemand ging dort. Es rumste zweimal, dann hörte sie den leisen Schrei einer Frau, der verdächtig nach lautem Schluchzen klang. Der Magier schrie etwas, aber seine Stimme klang zu gedämpft, als dass sie darin mehr als die kochende Wut hätte erkennen können, die seine Worte färbte. Wieder hörte Dela einen Schrei, der ihr mitten ins Herz zu fahren schien.
Was, zum Teufel, geht da vor? Die Bodenbretter knarrten erneut, und die Tür zum Keller öffnete sich. Licht fiel auf die Treppe, der Magier tauchte auf. Er zerrte eine schlanke, widerstrebende Gestalt hinter sich her. Es war ein Mädchen, und es weinte, wehrte sich aber bei jedem Schritt und ließ sich störrisch hängen. Der Magier schleifte es am Haar hinter sich her.
Dann schaltete er die Glühlampe ein, und Dela erkannte ein kleines, auffallend hübsches Mädchen von höchstens sechzehn Jahren. Dunkle, ungebärdige Locken umrahmten das herzförmige Gesicht, in dem mandelförmige Augen vor Wut und Verzweiflung glühten. Seine rechte Wange schillerte blauschwarz von Schlägen, seine Bluse war zerfetzt, und die Hosenbeine seiner Jeans waren hochgerutscht.
Es keuchte, als es Dela sah. Die beiden Frauen starrten sich an und knüpften sofort ein Band zueinander, das von dem gemeinsamen Hass gegen den Mann gespeist wurde, der zwischen ihnen stand.
»Was soll das werden? Das Jungfernopfer?«, fragte Dela. Es beunruhigte sie, dass sie vor Schmerzen kaum den Kiefer bewegen konnte.
Das Mädchen lächelte bitter, der Magier schob es daraufhin zu einem Pfeiler, der Dela gegenüberstand. Dann zog er ein zweites Paar Handschellen aus der Tasche. Seine Bewegungen waren kalt und gefühllos; er wirkte, als binde er einen streunenden Hund an.
»Das ist meine Tochter, Ms. Reese. Es spielt keine Rolle, dass Sie mir die Schatulle nicht geben wollen. Mein Plan funktioniert auch ohne sie, solange Hari alles tut, was ich ihm sage. Es sei denn, natürlich, es gefällt ihm zuzusehen, wie ich Sie foltere.«
Dela hörte ihm nicht mehr zu. Seine Tochter?
Die Vorstellung überstieg fast ihren Horizont, ebenso wie die rätselhaften Motive des Magiers, seine Tochter hierher zu bringen, und die Tatsache, dass er sie misshandelte.
»Hari wird Sie vorher umbringen«, sagte sie.
Der Magier lachte, seine Augen funkelten. »Das kann er natürlich versuchen, meine Teuerste, aber ich fürchte, er wird feststellen, dass ich ziemlich unzerstörbar bin.«
Dela kämpfte gegen den Drang an, sich zu übergeben. »Was wollen Sie damit sagen?«
Der Magier beugte sich zu ihr herunter. Sein heißer Atem schlug gegen ihre brennenden Wangen. »Sie lagen mit Ihrer Vermutung ganz richtig, Ms. Reese. Es gab einen Preis, den ich zahlen musste. Hari ist nicht der Einzige, der verflucht ist.«
Er richtete sich auf und sah zu, wie sie diese Nachricht verdaute. »Hari wird Sie finden. Er hat keine andere Wahl. Zweifellos ist er bereits unterwegs, mit all Ihren Freunden im Schlepptau.«
»Das scheint Ihnen keine großen Sorgen zu machen.«
Der Blick des Magiers richtete sich in die Ferne, und für einen Moment spürte Dela die Anspannung in seinem Körper, den Krampf in seinem Leib. »Ich habe Vorsichtsmaßnahmen getroffen«, sagte er nur.
Nach einem kurzen Blick auf seine Tochter schaltete der Magier das Licht aus und ging die Treppe hinauf. Als er die Tür schloss, wurde es wieder dunkel. Die Finsternis schien sich auf Delas Augen und ihren Mund zu legen, ihre Ohren zu verstopfen.
Dann hörte sie, wie ihr gegenüber Schuhe über den rohen Zement kratzten.
»Hallo?« Die helle Stimme hatte einen leichten Akzent. »Hi. Wie heißen Sie?«
»Dela Reese. Und Sie?«
»Lise Amarro.«
Lise Amarro, die Tochter des Magiers. Mit Handschellen gefesselt im selben Keller wie sie.
Mist!, dachte Dela. Das ist doch pervers.
Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen. »Geht es Ihnen gut?«
Kurzes, heftiges Gelächter erfüllte den Keller. »Sie sind verrückt, oder? Diese Frage könnte ich Ihnen stellen. Dieser Mann ist ein Psychopath. Er ist so derartig daneben, dass Ted Bundy neben ihm ein Muster an Vernunft darstellt.«
»Er ist Ihr Vater.«
»Oh.« Sie schluchzte, vor Lachen und Wut. »Nenn mich Luke. Ich bin dein Vater.«
Das Mädchen war hysterisch, aber andererseits, wenn Dela den Magier zum Vater hätte, würde sie vielleicht Hüte aus Aluminiumfolie tragen und sich vor Aliens verstecken.
Erneut testete sie ihre Fesseln. Ihr Verstand wurde
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