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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Zierde. Sie schlummert bloß und wartet darauf, ihren Zweck zu erfüllen.«
    »Anderen Schaden zuzufügen.«
    »Du kannst das verstehen«, bestätigte sie und fuhr nach einer kleinen Pause fort: »Es ist merkwürdig, sich dazu hingezogen zu fühlen, Dinge herzustellen, die verletzen oder gar töten können. Manchmal fühle ich mich schuldig, bearbeite den Stahl aber trotzdem weiter und schmiede diese Klingen. Es ist fast wie ein Zwang.« Sie verzog das Gesicht. »Trotzdem bin ich kein gewalttätiger Mensch.« Sie klang beinahe flehentlich.
    »Ich glaube dir«, erwiderte Hari. »Aber die Waffen erfüllen dennoch einen Zweck in deinem Herzen, stillen ein Verlangen. Wenn nicht jenen, das Verlangen zu töten, dann den, die Dunkelheit auszudrücken, die zu jeder großen Leidenschaft gehört.«
    Dela sah ihn aufmerksam an. »Und wie drückst du die Dunkelheit deiner Leidenschaft aus?«
    Hari wurde plötzlich kalt. »Ich kenne keine Leidenschaft. Und wenn doch... Meine Hände sind mit zweitausend Jahren Blutvergießen besudelt. Mein Ausdruck wäre Tod.«
    »Das ist... deprimierend.«
    Hari knurrte und deutete auf den Dolch. Sie brachte ihn dazu, viel zu viel über sich preiszugeben. Er wollte das Thema wechseln.
    »Ich kannte einmal einen Drachen«, sagte er und tat schon wieder, was er sich gerade noch hatte verbieten wollen. Aber er konnte die Worte nicht zurückhalten. »Ein sehr liebenswürdiger Mann, wenn man sein Freund war. Seine Feinde lebten jedoch nicht lange.«
    Es gelang Hari schließlich, den Mund zu schließen, während er gleichzeitig fürchtete, bereits zu viel gesagt zu haben, als würde ihn schon dieses kleine Eingeständnis verfluchen und einen Akt von Betrug heraufbeschwören, der sein Vertrauen vernichten mochte. Bis jetzt hatte er mit seinen Meistern noch nie über sich gesprochen.
    Dela riss vor Überraschung und unschuldiger Ungläubigkeit die Augen weit auf. »Einen richtigen Drachen?«
    »Er war ein Gestaltwandler, um genau zu sein. Ein Mensch, der aus freiem Willen den Körper eines Drachen annehmen konnte, so wie ich den eines Tigers.«
    »Du konntest wirklich deine Gestalt verändern? Es ist sehr schwer, das zu glauben.«
    Er schmeckte ihr Staunen, was ihn unerwartet freute.
    »Sieh mir in die Augen«, bat Hari. »Sieh in meine Augen und sag mir, dass du dort nichts erkennst, das nicht ganz menschlich wäre. Es ist aber da und wartet. Wartet darauf, dass ich meine Haut finde.«
    Sie starrte in seine Augen, versank darin, doch obwohl er sich bemühte, konnte er ihre Gefühle nicht erkennen. Er sah nur sein eigenes Spiegelbild in ihrem hinreißend himmelblauen Blick und dachte, dass er noch nie so entzückende, nachdenkliche Augen gesehen hatte.
    »Wie viele wart ihr?«
    »Früher einmal sehr viele. Jetzt weiß ich es nicht mehr genau. Man findet uns im Wasser, an Land, in der Luft. Der Drache ist von allem etwas, aber seine Art war schon damals sehr selten.« Hari hielt inne. »Während meiner letzten Rufe fand ich eine Partnerin. 1423. Wie lange...?«
    »Sechshundert Jahre.« Dela wurde blass und presste ihre Finger auf ihre Lippen. »Du warst fast sechshundert Jahre in dieser Schatulle eingesperrt.«
    Wahrlich ein langer Schlaf.
    Er hätte noch mehr gesagt, in diesem Augenblick aber klopfte es an die Tür. Ungeachtet ihrer schwachen Proteste schob Hari Dela rasch in die kleine Nische zwischen Bett und Wand, wo man sie von der Zimmertür aus nicht sehen konnte. Sie bückte sich, sammelte die blutigen Handtücher auf und warf sie in den Schatten unter das Bett.
    »Bleib da«, flüsterte er. Dela sah ihn böse an.
    Ein scharfer Stich von Belustigung durchfuhr ihn, und er musste sich anstrengen, ernst zu bleiben. Sie mochte nicht gern in die zweite Reihe gestellt werden? Oder war das in ihren Augen Sorge?
    Wieder klopfte es, diesmal lauter. Vorsichtig glitt Hari ins Bad, wo er seine Waffen abgelegt hatte, packte einen Dolch und drückte ihn eng an seinen Schenkel. Adrenalin durchströmte seinen Körper. Er legte sein Ohr an die Tür und...
    »Ich rieche Speisen.«
    Dela trat neben ihn. »Der Zimmerservice. Hoffe ich wenigstens.« Sie spähte vorsichtig durch das kleine Guckloch, das ihm entgangen war, und lächelte. »Versteck den Dolch«, befahl sie. Hari runzelte die Stirn, gehorchte aber und hielt die Waffe hinter seinen Rücken, als er Dela mit der Schulter sanft zur Seite schob, um die Tür zu öffnen. Es konnte immer noch eine Falle sein.

Doch der winzige Gentleman, der ein vollbeladenes

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