Tiger Eye
hinabströmte. Aber es war noch genug übrig, um seine Wangen zu röten.
»Ich kenne dich nicht einmal«, flüsterte sie, während sie mit den Fingerspitzen über ihre Lippen strich.
Diese Worte hatte Hari nicht erwartet, nicht, da doch der Moschusduft ihres Verlangens in der Luft hing und die Begierde in ihren Augen glühte. Allerdings hatte er eigentlich nichts erwartet, schon gar nicht ihre vibrierende Ausstrahlung, die ihm unter die Haut ging. Seine Knochen schienen von Samt umhüllt, und ihm war viel zu heiß.
Und das alles von einem Kuss.
Er bemerkte die Unsicherheit, die in Delas Blick sickerte. Panik durchfuhr ihn, und er wich zurück, senkte den Blick -und eine Klammer schien sich um seine Brust zu legen. Diesmal aber nicht aus Erregung.
»Verzeih mir«, sagte er. »Ich war zu direkt zu dir.«
»Ja«, antwortete sie leise, aber nicht verärgert. »Warum hast du mich geküsst?«
Es war das erste Mal, dass ihm jemand eine solche Frage stellte, und er blinzelte verwirrt, während er sich wünschte, besser mit Worten umgehen zu können. Die Einsamkeit wütete in seiner Brust, hinterließ eine Leere und entriss ihm wie mit dem kraftvollen Hieb einer stumpfen Keule diese neue Wärme. Wie konnte er dieses schreckliche Bedürfnis mitteilen, das in ihm aufgestiegen war? Es gab keine Worte, sein Verlangen zu beschreiben, die jetzt nicht obszön klingen müssten, aber sein Verlangen war nicht so ordinär oder dunkel. Im Gegenteil, es fühlte sich strahlend an, schön und süß.
»Es nicht zu tun, wäre schwierig gewesen«, erwiderte er schließlich.
»Oh«, hauchte sie.
»Ich werde dich nie wieder ohne deine Zustimmung berühren«, versprach er und bedauerte die Worte, noch während er sie aussprach. Obwohl sie notwendig waren. Der Drang, sie zu berühren, schien nach wie vor beinahe überwältigend, aber seine Instinkte mahnten ihn zur Vorsicht. Diese Frau konnte er nicht zu schnell bedrängen, und das wollte er auch nicht. Sein eigenes Herz war noch viel zu empfindlich. Und er begriff nicht, was Dela da mit ihm tat.
Ich bin verwundbar. Ich giere nach Freundlichkeit, und wenn ich sie bekomme, verliere ich den Verstand.
»Danke.« Dela legte ihre zitternden Hände in den Schoß, während eine merkwürdige Energie unter ihrer Haut zu vibrieren schien. Sie berührte ihn. Hari stand rasch auf und versuchte, seine verräterische Erektion zu verbergen. Er vermutete jedoch, dass Dela sie bereits bemerkte und hütete sich, sie anzusehen, weil er Angst vor dem hatte, was er in ihrem Blick sehen mochte.
»Also«, sagte sie, nachdem er sich wieder hingesetzt hatte. »Ich hoffe, du bist noch hungrig.«
Erleichterung und eine merkwürdige Sehnsucht durchströmten ihn.
»Ja«, erwiderte er. Doch seine tiefe Stimme und sein erhitztes Gesicht verrieten sehr wahrscheinlich, dass dieser Hunger nur wenig mit dem Essen zu tun hatte, das vor ihm stand.
Dela trank gerade Wasser und verschluckte sich. Ihre Wangen wurden noch röter. Schließlich erbarmte sich Hari ihrer und senkte seinen Blick auf die Speisen vor sich.
Ich habe zu viel gesagt und getan. Ich flöße ihr Furcht ein.
Sein Essen war kalt geworden, doch das störte ihn nicht. Er widmete sich konzentriert seiner Mahlzeit und versuchte, an etwas anderes als an die Frau zu denken, die ihm gegenübersaß. Er aß und aß, und nach einer Weile fing er an, die Speisen zu schmecken, die Soßen, die Geschmäcker, die seiner Zunge schmeichelten. Erst als er das Fleisch bis auf die Knochen abgenagt hatte, und als von dem Obst nur noch die Gehäuse übrig waren, hörte er auf und blickte Dela wieder an.
Sie hatte ihre Mahlzeit kaum angerührt und beobachtete ihn aufmerksam. Noch niemand hatte ihn so offen betrachtet, direkt und ohne Furcht. Das löste ein merkwürdiges Gefühl in ihm aus, während ihr Blick sein Gesicht musterte, und er empfand sich als bloßgelegt, wie vor einer reinigenden Flamme.
Selbst seine grausamsten Meister hatten Hari nie lange ins Gesicht starren können. Er jagte ihnen Furcht ein, selbst wenn er auf den Knien lag und seine Eingeweide vor ihm unter der Sonne glühten. Er hatte ihnen Unbehagen bereitet. Die scharfe Klinge der Gefangenschaft. Er war nur dem Namen nach ein Sklave, niemals im Geist. Sie fühlten seine Macht und waren davon bedroht. Das vergaß keiner von ihnen jemals.
Dela dagegen war nicht eingeschüchtert. Sie blickte tief in seine Augen, als könne sie die Geheimnisse seines Herzens aufrufen. Hari wusste nicht einmal
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