Tiger Eye
noch nie solche Gefühle für überhaupt irgendjemanden gehegt.
Dela stieß einen kehligen Laut aus. Als wäre es ein Befehl, stand Hari plötzlich an ihrer Seite, ohne gemerkt zu haben, wie er die Distanz zwischen ihnen überwunden hatte. Er hätte sie fast berührt, drückte seine Hand jedoch fest gegen seinen Schenkel. Vertrautheit war gefährlich, und er vertraute ihr ohnehin schon zu leicht. Der letzte Meister, dem er sich offenbart hatte, hatte ihn daraufhin rücksichtslos missbraucht.
Hari sagte nichts. Er ließ seine Gegenwart einfach für sich sprechen, und Dela schien seine schweigende Frage zu spüren.
»Ich kenne diese Klinge.« Ihre Worte waren von Ungläubigkeit gefärbt. »Ich habe dieses Schwert selbst geschmiedet!«
Hari kniete sich neben sie. Sie überraschte ihn schon wieder. »Du bist eine Metallschmiedin?«
»Sozusagen«, erwiderte sie und sah ihn an. »Ich bin eine Künstlerin, aber ich schmiede auch Waffen. Findest du das seltsam?«
Hari konnte nicht anders und erlaubte ihr, sein Lächeln zu sehen. Es fühlte sich gut an. »Ich bin ein Gestaltwandler, der verdammt ist, eine Ewigkeit als Sklave zu dienen. Ich existiere in einer Schatulle, wenn ich gerade keinen Körper annehme, und ich kann nicht umgebracht werden. Angesichts all dessen würde ich behaupten, dass deine Fähigkeit, Metall zu bearbeiten, unerträglich gewöhnlich ist.«
Sie lachte. Es war ein angenehmes Geräusch, auch wenn es viel zu schnell endete. Ihre Augen verdunkelten sich, als sie das Langmesser ansah, in dessen Klinge die verschlungenen Umrisse eines Drachen eingeätzt waren.
»Das Schwert war eine Sonderanfertigung für einen Klienten. Sonst nehme ich keine privaten Aufträge an, aber dieser Kerl hatte versprochen, einem Kunstprojekt für Kinder viel Geld zu spenden, wenn ich die Klinge schmieden würde. Es gefällt mir zwar nicht, wenn man mich so unter Druck setzt, aber der Kerl war sehr hartnäckig. Er wollte eine original Dela-Reese-Klinge, und er hat alle Welt darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Spende an meine Entscheidung geknüpft war.« Sie schüttelte den Kopf. »Dieser Dolch wurde vor drei Monaten gestohlen, und zwar aus der Lieferung, die an seinen Empfänger ging.«
»Die Person, die diese Waffe gestohlen hat, hat einen bestimmten Zweck damit verfolgt«, erklärte Hari und nahm ihr die Waffe aus der Hand. Die Klinge war so lang wie ihr Unterarm, eher ein Langmesser oder ein Kurzschwert, und weniger ein Dolch. Die Einfachheit des Griffes betonte seine Eleganz, wirkte täuschend unaufdringlich, während sie gleichzeitig eine brillante, atemberaubende Handwerkskunst verriet, die eine bewundernde Hand verlangte, die diese Waffe führte. Haris zögernder Respekt vor Dela vertiefte sich.
»Jemand hat das geplant.« Entsetzen schwang in ihrer Stimme mit. »Jemand mit genug Geld und Einfluss, um mich selbst in China aufzuspüren.«
»Hast du Feinde?« Hari strich mit den Fingerspitzen über die Drachen-Gravur.
Dela schüttelte den Kopf. »Ich lebe zurückgezogen und bin fast immer allein. Und habe nur einen sehr kleinen Kreis enger Freunde, die alle über jeden Zweifel erhaben sind.«
»Ein Lächeln auf dem Gesicht verbirgt oft einen Dolch im Gewand.«
Als Dela protestierte, senkte Hari den Kopf. »Es tut mir leid, Delilah, aber wie du selbst sagtest, jemand hat das geplant. Jemand, der dich gut kennt.«
»Du kannst mich ruhig Dela nennen«, sagte sie mürrisch.
So heißt keine Königin oder Kriegerin, dachte er. Laut jedoch sagte er: »Ich ziehe Delilah vor. Der Name passt zu dir.«
»Vielleicht wenn du ihn aussprichst.« Sie stand auf. Ihre Augen wirkten hart, als sie die Waffe anblickte, die er in den Händen hielt. Hari gab sie ihr mit dem Griff voran zurück. Dela fasste geschickt und fest zu. Er bemerkte, wie sich die Muskeln in ihrem Arm anspannten, sie hatte schlanke, kräftige Arme, die Arme einer Frau, die an körperliche Arbeit gewöhnt war. Dennoch, als sie die Klinge hielt, strahlten ihre Bewegungen noch etwas aus, einen anmutigen Instinkt, der ihn irgendwie erreichte.
»Du kannst mit den Waffen, die du herstellst, sehr geschickt umgehen«, sagte er. Dela zuckte mit den Schultern, doch ihr stieg die Röte in die Wangen. Sie ist verlegen, dachte Hari, obwohl er nicht verstand, aus welchem Grund.
»Ich bin keine Expertin«, meinte sie.
»Aber du weißt genug, um das zu respektieren, was du tust.«
Dela lächelte, erfreut und traurig zugleich. »Keine Waffe ist jemals nur eine
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