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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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durch den Flur und über die Feuerleiter nach draußen rennen konnte. Er war splitternackt. Junge, und wie nackt! Mit dem Bild seiner ausgesprochen gut ausgestatteten Geschlechtsteile vor Augen, schoss Dela ins Badezimmer und schnappte sich ein paar Handtücher. Der Anblick würde für immer in ihrem Gedächtnis eingebrannt bleiben. Sie drückte Hari eines in die Hand und presste das andere gegen seine Schulter und seinen Arm, um die Blutung zu stoppen.
    Hari starrte das Handtuch an. Dela verdrehte die Augen. »Bind es dir um die Hüfte!«, stieß sie hervor.
    Einen Moment lang durchdrang so etwas wie ein Funken Humor die siedende Wut in Haris Augen. »Er hat dich geschlagen!«, grollte Hari und berührte ihre Haut knapp über ihrem Herzen. »Er wollte dich umbringen.«
    Seine Besorgnis überraschte Dela fast ebenso sehr, wie der Angriff sie überrumpelt hatte. Und obwohl er sie nur ganz leicht berührte, schienen seine Finger zu brennen, durchdrangen mit Leichtigkeit ihre so sorgfältig gepflegte Kontrolle, die lebenslange Übung, mit der sie ihre Furcht beherrschte. Bilder überwältigten sie, Augen, so kalt wie ein arktisches Meer, eine blitzende Klinge, die sich in einem Bogen auf ihre nackte Haut senkte, Hari traf...
    Das Zittern setzte ein. Hari beobachtete sie; es war rätselhaft, wie still er trotz der Wunden war. Er wickelte sich das Handtuch um die Hüften, während Wassertropfen auf seiner nackten Haut funkelten.
    Beherrsch dich, Dela. Unterdrück deine Furcht. Das ist nicht der richtige Augenblick, die Nerven zu verlieren.
    Dela holte tief Luft, stieß sich von Hari ab und betrachtete seine Schulter und seinen Arm. Trotz des Handtuchs war da viel zu viel Blut; ihr Herz, das ohnehin schon heftig pochte, hämmerte plötzlich dröhnend in ihren Ohren. »Wir müssen dich zu einem Arzt bringen.«
    »Das ist nicht schlimm«, erwiderte er. »Es heilt in ein paar Minuten.«
    Dela starrte ihn an. »Minuten? Aber das ist... das ist...«
    »Unmöglich?« Hari lächelte fast unmerklich, als er die Hand hob, die er sich für ihren Blutschwur selbst aufgeritzt hatte. Er hatte den behelfsmäßigen Verband abgenommen und das Blut abgewaschen. Seine Handfläche war glatt und vollkommen unversehrt. »Ich kann nicht sterben, Delilah.«
    Als sie die ganze Bedeutung seiner Worte begriff, richteten sich die Härchen auf ihren Armen auf. Andererseits, wenn sie darüber nachdachte, war diese Unsterblichkeit nur einleuchtend. Welchen Sinn hatte schon ein Fluch, wenn ein Pfeil ins Herz einen davon erlösen konnte?
    Und aufgrund deiner eigenen Berechnungen, Dummkopf, hast du ihn auf zweitausend Jahre geschätzt. Er ist doch nicht so lange auf der Welt, weil er einfach Lust dazu hatte.
    »Es war sehr mutig, für mich zu kämpfen«, erklärte Hari. »Aber überflüssig.«
    »Er hat dich verletzt, oder etwa nicht?« Es fiel ihr plötzlich schwer zu sprechen. Er ließ sich mit der Antwort Zeit und nickte schließlich nur langsam. Dela versuchte zu lächeln. »Also. Ich glaube, das allein ist Grund genug, jemanden daran zu hindern, auf dich einzustechen.«
    Hari sah sie erstaunt an. Ermutigt von einem kühnen Impuls, schlang Dela ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Kopf zu sich herunter. Er leistete keinen Widerstand, sie fuhr mit ihren Lippen über seine unrasierte Wange und legte ihren Mund an sein Ohr. »Danke, dass du mir das Leben gerettet hast, Hari.«
    »Das ist nicht der Rede wert«, erwiderte er. Es war eine Lüge, und sie wussten es, beide.

3
    Hari war zwar körperlich nicht in der Lage, seinen Meistern ein Leid anzutun, aber in all der Zeit war es immer wieder vorgekommen, dass er aus Versehen zugelassen hatte, dass einer von ihnen ums Leben kam. Wie zum Beispiel der Scheich, der ihm befohlen hatte, während eines besonders mörderischen Pfeilhagels seinen königlichen Körper mit seinem eigenen, Haris, zu schützen. Hari hatte anschließend wie ein Nadelkissen ausgesehen und sich auch so gefühlt. Doch ein kurzer Schritt nach rechts, eine leichte Bewegung, um bestimmte Pfeile abzufangen, andere dagegen nicht, und der Scheich... Nun, er hatte am Ende fast genauso ausgesehen.
    Was bedeutete: zurück in die Schatulle, immer und immer wieder. Befehle annehmen, ihnen bis auf den Buchstaben getreu folgen, und nichts anderes... und sich manchmal so harte Strafen verdienen, denen selbst erfahrene Folterer nicht Zusehen konnten. Es war ein Wunder, dass niemand vermocht hatte, seinen Charakter zu brechen.
    Und dennoch...
    Hari

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