Tiger Eye
Besser ich als sie.«
»Dann müssen wir Vorkehrungen treffen.« Artur starrte nachdenklich auf seine Handschuhe. »Ich habe Roland bereits gebeten, Yancy anzurufen. Einige der größeren Mafiafamilien sitzen an der Ostküste. Vielleicht gibt es Gerüchte über einen kürzlichen Verlust in einer dieser Familien.«
Die Spannung im Raum stieg, als Yancy erwähnt wurde. Hari runzelte die Stirn.
»Diese Yancy ist deine Tante?«
»Genau. Benannt nach meiner Großmutter.«
»Die beiden kommen nicht miteinander klar«, erbarmte sich Dean schließlich. »Ich meine, sie können nicht mal im selben Raum sein, ohne dass eine von beiden die Beherrschung verliert. Das waren die unheimlichsten Frauenkämpfe, die ich je gesehen habe, und sie haben sich nicht mal geprügelt.«
»Mädchen halten sich eben nicht an Regeln, wenn sie kämpfen«, erklärte Blue ungerührt. »Sie sind nicht so zivilisiert wie Männer.«
»Ich könnte es locker mit ihr aufnehmen«, murmelte Dela.
»Natürlich«, beruhigte Artur sie, während Eddie und Hari ein wenig verwundert zusahen.
»Warum verstehst du dich nicht mit deiner Tante? Hat sie dir wehgetan?«, wollte Hari wissen.
Dela seufzte. »Das ist eine lange Geschichte. Yancy erledigt ihren Job hervorragend, und dafür respektiere ich sie auch. Aber sie hat einen Überlegenheitskomplex von der Größe eines Eisbergs.«
»Sie ist eine Rassistin«, sagte Blue. »Sie mag keine Menschen, die anders sind. In ihrem Fall sind das solche, die keine Psi-Kräfte haben. Was ja auf fast alle Menschen zutrifft.«
Dela nickte. »Sie hat einen Wutanfall bekommen, als meine Mom Dad geheiratet hat, nur weil er kein Psi-Talent hat, und dann hat sie mir und meinem Bruder das Leben zur Hölle gemacht, als wir aufwuchsen. Sie hat uns immer getestet, ständig an uns rumgenörgelt und meinen Dad für all unsere Probleme verantwortlich gemacht. Ich wette, sie reibt sich vor Freude über dies hier die Hände.«
»Das bezweifle ich«, wandte Artur ein. »Du bist immer noch ihre Nichte.«
»Und, bei Gott, niemand hat das Recht, dich herumzuschubsen, niemand außer ihr, natürlich!« Dean schlug sich auf die Brust.
Hari sagte nichts. Er drückte nur sanft Delas Schulter, und sie fragte sich, ob er sie wohl für kindisch hielt. Immerhin war seine Familie längst zu Staub im Wind geworden, und da beschwerte sie sich über ihre eigene.
Doch aus seinem Blick sprach nur Wärme. Wärme und ein ruhiges Mitgefühl.
Blue ging und nahm die Rätselschatulle mit. Er war eine Stunde lang unterwegs, und während dieser Zeit wurde nur wenig beschlossen, außer dass Dela beständig gut bewacht werden musste. Als Blue wieder hereinkam, nickte er ihnen schweigend zu. Niemand fragte, wo die Schatulle war. Was Dela betraf: je weniger es wussten, desto besser.
Ein warmes Glühen erfüllte das Wohnzimmer, als die Abendsonne die fernen Bäume und Gebäude von Rose Apple in ihr goldenes Licht tauchte. Blue schaltete mit einem Gedanken das Licht an, während Artur die Fensterläden schloss. Dela und Eddie bereiteten das Abendessen zu, Sandwiches und Kartoffelchips.
Sie spürte die leichte Spannung zwischen Hari und den anderen, merkte aber bald, dass sich allmählich ein grobes Vertrauen und sogar ein bisschen Kameradschaft zwischen ihnen einspielte. Dean und Hari saßen am Tisch und beugten sich über seine Waffen. Der Gestaltwandler schien eine Geschichte zu erzählen. Blue saß daneben und hörte zu.
Artur trat neben Dela. Sie lächelte ihn an, als sie Eddie zeigte, wo sie die Pappteller aufbewahrte. Sie glaubte nicht, dass heute irgendjemand, schon gar nicht sie selbst, Lust auf Abwasch hatte.
»Ich bin froh, dass du da bist«, sagte sie zu dem großen Russen. Artur lächelte traurig, sein Blick blieb unergründlich und müde.
»Als ich hörte, was passiert ist, konnte ich nicht einfach wegbleiben. Keiner von uns konnte das.« Artur zögerte. »Wie geht es dir, Dela?«
»Ich bin müde«, gestand sie leise. »Und verängstigt. In so kurzer Zeit ist so viel passiert, Artur. Ich habe das Gefühl, mir würde der Kopf explodieren, wenn ich versuche, aus all dem schlau zu werden.«
»Es sind nicht nur die Drohungen gegen dein Leben, stimmt’s? Es ist auch Hari.«
Dela spürte, wie Eddie kurz erstarrte und einen Augenblick später in die entfernteste Ecke der Küche schlenderte, wo er sich damit beschäftigte, Mayonnaise auf das Brot zu schmieren.
»Ja«, flüsterte sie, dankbar für diese Privatsphäre, selbst wenn sie nur
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