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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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suchte nach mehr als Mitleid, nach Entsetzen oder Ekel, aber sie fand nichts davon in ihren Mienen. Nur ruhige Geduld.
    »Ich verstehe, wenn ihr jetzt gehen wollt«, sagte sie. Sie war froh, dass sie Hari an ihrem Rücken fühlte. Und sie war sich außerdem ihrer Heuchelei bewusst. »Die Umstände haben sich verändert, und keiner von euch hat es verdient, in der Schusslinie zu stehen, wenn es um etwas so Persönliches geht. Ich könnte es nicht ertragen, wenn einer von euch wegen etwas verletzt wird, das ich getan habe. Das alles ist meine Schuld.«
    »Du bist so krank«, meinte Dean, der dabei einen Schluck aus einer Wodkaflasche nahm, die auf dem Wohnzimmertisch aufgetaucht war. Dela wusste gar nicht, dass sie etwas Stärkeres als Bier oder Wein in ihrer Vorratskammer gehabt hatte. Artur warf seinem gluckernden Freund einen finsteren Blick zu, wirkte dabei aber eher wie ein Mann, der sich gern selbst einen Schluck Schnaps genehmigen würde.
    »Ich kann dich in diesem Punkt auch nicht verteidigen.« Blue hob die Hände. »Du bist verrückt.«
    Dela sah Hari hilfesuchend an.
    »Du erinnerst dich doch noch an das Handtuch, oder?« Als Dela nickte, lächelte Hari. »Dann weißt du wohl, was ich tun werde, wenn du darauf bestehst.«
    »Du bist böse.«
    »Das haben mir bereits andere gesagt, auch Leute, die erheblich Furcht einflößender waren als du.«
    »Dela.« Artur stand langsam auf und warf ihr einen merkwürdig flehentlichen Blick zu. Merkwürdig insofern, als Artur nur selten Gefühle zeigte. Doch jetzt verbarg er sie nicht, als seine liebenswürdige Maske plötzlich verschwunden war. »Du musst zulassen, dass wir dir helfen. Roland hat uns nicht einfach nur hergeschickt. Wir haben ihn gebeten, hierher kommen zu dürfen, weil du unser Freund bist. Mehr als das, du bist Familie. Verstehst du das?«
    Dean schnaubte. »Zum Teufel, Dela. Wir riskieren unser Leben und unsere Macht für alle möglichen Leute,- und dann willst du uns sagen, wir sollen kneifen? Nie im Leben!«
    »Wie Schimmel auf Reis«, sagte Blue. »So leicht wirst du uns nicht los.«
    »Was ist mit Ihnen, Eddie?« Dela würgte die Frage heraus, während sie mit den Tränen kämpfte. Der junge Mann war auffällig ruhig geblieben. »Sie sind neu und kennen mich noch nicht so lange wie die anderen. Sie müssen nicht bleiben.«
    Man musste Eddie zugute halten, dass er die drei Männer, die um ihn herumstanden, nicht ansah, um ihre Erlaubnis einzuholen. Seine Antwort kam prompt und überzeugt.
    »Ich bleibe, Madam. Selbst wenn die anderen gehen wollten, ich würde bleiben.«
    »Arschkriecher«, meinte Dean liebenswürdig.
    Eddie errötete, zuckte aber nicht zurück. »Seit ich hierher gekommen bin, habe ich gehört, dass niemand einen Ort hatte, an den er gehörte, bis Dirk & Steele ihn gefunden hatten. Und dass sie nach der Rekrutierung feststellten, dass es nicht der Ort war, sondern die Menschen, die ihn zu einer Heimat machten. Und Sie sind einer dieser Menschen, Madam. Vielleicht noch nicht für mich, aber für alle anderen doch schon. Das ist alles, was zählt.«
    »Schön«, sagte Blue nach einem langen Augenblick des Schweigens und legte Eddie die Hand auf die Schulter. »Ich glaube, du passt ganz gut hierher.«
    Dela versuchte zu lächeln, obwohl Tränen in ihren Augen brannten. »Ich gebe auf. Ich habe keinen von euch verdient, aber vermutlich ist das mein Glück.«
    Hari nahm die Schüssel mit den Keksen vom Tisch. »Hier«, sagte er. »Iss einen. Zucker lindert den Schmerz.«
    »Ich glaube, allmählich mag ich ihn«, sagte Dean in die Runde.
    Dela nahm einen Keks. »Du solltest mal versuchen, ihn zu küssen.«
    Damit erntete sie ein unbehagliches Lächeln in der Runde. Dela seufzte und ließ sich auf die Couch sinken. Hari blickte aus dem Fenster.
    »Also gut«, sagte sie. »Und wie finden wir den Mistkerl, der das Kind umgebracht hat?«
    Die Männer sahen sich gegenseitig an. Blue ergriff das Wort. »Wir werden den Killer finden, aber ich glaube, um ihn müssen wir uns im Augenblick keine Sorgen machen. Es sind die Eltern des Kindes, die deinen Tod wollen.«
    Dela schloss die Augen und atmete tief durch. »Das kann ich ihnen nicht verdenken.«
    Artur knurrte leise. »Die Mordwaffe ist durch mehrere Hände gegangen. Die ersten waren die deinen, die nächsten die des Killers. Ich kann dir nicht viel sagen, außer, dass der Mörder von Rache getrieben wurde. Er wollte ein Exempel an jemandem statuieren. Ich weiß weder an wem, noch warum,

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