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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Er muss Holz nagen, damit seine Zähne nicht zu lang werden. Sonst wachsen sie ihm aus dem Mund, und er kann nicht mehr fressen.« Er überlegte und fuhr in unheilvollem Ton fort: »In ein paar Monaten hätten wir vielleicht nur noch ein Skelett gefunden.«
    »Na, dazu ist es ja nicht gekommen«, unterbrach Peter ihn schnell und setzte das Meerschweinchen zurück in den Glaskasten, wo es dankbar an seiner Flasche nuckelte. »Außerdem hat es ja auch irgendwie Spaß gemacht, ihn zu suchen, wie beim Versteckenspielen. Am wichtigsten ist, dass Margaux nicht der Geburtstag verdorben wurde.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Miguel die Augen verdrehte. Eine Weile schauten wir Blackhead noch zu, um uns zu vergewissern, dass es ihm gutging. Und so war es auch: Er trank Wasser, scharrte Holzspäne in sein Nest und legte sich schlafen.
    »So ist das Leben«, schmunzelte Peter und machte sich auf den Weg nach unten.
    ***
    Remesagil Jones Farm Market, das Geschäft, zu dem mich Peter an einem Freitag im Mai mitnahm, lag auf der Bergenline Avenue gegenüber dem Zeitungskiosk, in dem meine Mutter oft ihre Lotteriescheine holte. Als einer der größten Obst- und Gemüseläden in Union City führte er Artikel mit exotischen Bezeichnungen, die Peter mir mit zusammengekniffenen Augen hinter seiner viereckigen Lesebrille vorlas: holländische Tomaten, Eichelkürbis, stachelige grüne Chayote (ich sagte zu Peter, sie erinnerten mich an Knetmasse), Mandarinen, Mangold, Endivien, Chinakohl, Knollensellerie. Über einige der lustig klingenden Namen musste ich lachen, und als Peter begann, Kohl und weiße Rüben einzupacken, die ganz hinten im Geschäft lagen, machte ich mich selbständig, riss drei von den kleinen Plastiktüten gleichzeitig ab und drückte auf die Waage, damit die roten Pfeile hochschnellten wie hektische Zungen. Ich fand den Supermarkt herrlich, seine üppigen Farben und frischen dunklen Düfte, ich mochte die riesigen Cantaloupe-Melonen, die einer kugeligen Sonne glichen, deren unebene Oberfläche jedoch eher an den Mond erinnerte. Ich fragte mich, ob die herumschwirrenden Fliegen sich wie Astronauten fühlten, wenn sie sich darauf setzten und ihre wimpernhaften Beinchen wissbegierig anhoben.
    Peter kam zu mir und sagte: »Hatte ich fast vergessen. Fiver ist krank.« Fiver war ein Kaninchen, der halb erwachsene Sohn von Porridge und Peaches. »Könntest du vielleicht was für ihn aussuchen, damit es ihm bald besser geht?«
    »Oh, er isst gerne Möhren!«, sagte ich und lief hinüber, doch dann sah ich etwas Grünes, das die Form von Elfenschuhen hatte. »Nein, ich nehme die hier!«
    Zuerst weigerte sich Peter mit der Begründung, das Gemüse sei zu teuer; dann gab er wie immer nach. Ich steckte die grünen Bohnen in einen Beutel, den Peter mir aufhielt. Mit der Bemerkung, mehr könne er sich nicht leisten, stellte er sich an der Kasse an. Sein Gesicht wirkte angespannt, ungeduldig. Normalerweise lachte er immer. Er hatte schon mehrmals gesagt, dass ich ihn wunschlos glücklich mache, dass meine Liebe das Beste war, was ihm je passiert sei. Er hatte auch einmal gesagt, dass er mich heiraten würde, wenn ich achtzehn sei; ich konnte schon gut genug rechnen, um zu wissen, dass es nur noch zehn Jahre dauerte bis dahin, und ich freute mich ebenfalls darauf, weil Eheleute sich jeden Tag sahen, nicht nur montags und freitags. Eheleute konnten Kinder haben und leben, wo sie wollten. Ich erzählte Peter, ich wollte nach Westport in Connecticut ziehen und dort an einem See wohnen. Als ich meiner Mutter sagte, mit achtzehn Jahren würde ich Peter heiraten, sagte sie: »Du kannst ihn im Himmel heiraten.«
    Oft gestand Peter mir, wie traurig er sei, dass er mit mir noch kein Kind machen könne, weil meine Eizellen noch nicht so weit entwickelt seien. Manchmal fragte er: »Wie geht’s deinem Bauch?« In unserer Geheimsprache bedeutete das, dass er sich mich gerade schwanger vorstellte. Manchmal summte er auch vor sich hin, was bedeutete, dass er sich mich gerade nackt vorstellte. Ich weiß nicht warum, aber gelegentlich wurde ich wütend, wenn er das tat, und ich hätte ihn am liebsten geschlagen.
    ***
    Den Keller hatte ich bisher nur durch zwei der drei Eingänge betreten: im Winter über die Weichholztreppe und in letzter Zeit durch die schwere grüne Tür hinten im Garten, weil es draußen wärmer geworden war. Doch diesmal nahm Peter mich bei der Hand und führte mich die kleine betonierte Auffahrt vor dem Haus hinunter zu der

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