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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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du nichts mehr von dem, was ich dir erzählt habe?«
    »Keine Ahnung.«
    »Man muss sich mal klarmachen, dass den Kindern in der Grundschule alles über die Fortpflanzung von Blumen beigebracht wird, aber nichts darüber, wie Menschenbabys gezeugt werden«, sagte er. »Verdrängung überall. Ich verstehe diese Gesellschaft nicht. Unsere Körperteile sind schön und natürlich, und wir sollten die Freiheit haben, sie zu zeigen, wo immer wir sind. Weil ich männlich bin, habe ich einen Penis und Hoden, du bist weiblich und hast deswegen eine Scheide und eine Klitoris. Das sind keine schmutzigen Wörter; es ist nicht böse, sie auszusprechen. Es ist nicht falsch, die Wahrheit zu sagen. Ich wette, dass du bis eben nicht einmal die Namen deiner eigenen Fortpflanzungsorgane kanntest.«
    »Meine Mutter sagt immer Intimbereich dazu. Und sie hat mal gesagt, dass mich da keiner anfassen soll. Und keiner soll meinen Po anfassen. Aber das finde ich nicht«, fügte ich schnell hinzu. »Meine Eltern sind verklemmt.«
    »Und wie!«, bestätigte Peter und wurde noch aufgeregter. »Wir leben in einer Gesellschaft, die so verkorkst ist, dass es unberührbare Körperteile gibt, und ausgerechnet diese Körperteile spenden die schönsten Gefühle, aber die Menschen werden so lange bearbeitet, bis sie etwas völlig Natürliches für ekelhaft und falsch halten. Und diese Menschen ziehen ihrem Kind die Hose runter, um ihm auf den Po zu schlagen, während sie ihren Kindern gleichzeitig sagen, es dürfte sie niemals jemand mit runtergelassener Hose sehen!«
    »Genau! Ich find es auch total blöd, wenn mir der Hintern versohlt wird. Ich weiß auch nicht, warum ich dafür die Hose ausziehen muss. Kann ich keine Prügel bekommen mit Hose an?«
    Peter schüttelte den Kopf. »Überall zweideutige Botschaften, wohin man auch sieht. Mit Sicherheit fühlt sich dein Vater völlig im Recht, wenn er dir befiehlt, die Unterhose auszuziehen und dich über seinen Schoß zu legen, damit er dich mit seinem Gürtel schlagen kann. Wenn er aber herauskriegen würde, dass dich jemand bittet, dein Höschen auszuziehen, um dir zu zeigen, wie schön du bist, oder um dir Vergnügen und Freude zu bereiten, dann würde dein Vater diesen Menschen wahrscheinlich umbringen. Ich bin überzeugt, dass dein Vater seine Pistole holen und mich erschießen würde, wenn er herausbekäme, dass ich dich nackt gesehen habe, dabei ist er ein Heuchler und Kinderschänder. Ein so großer Mann, der ein wehrloses Kind schlägt! Und dann noch mit einem Gürtel! Hast du eine Vorstellung, wie krank das ist? Ich weiß, dass das zu seiner Kultur gehört; wahrscheinlich wurde er selbst so erzogen. Er gibt es nur weiter. Von einer Generation an die nächste. Niemand hält inne und denkt nach.«
    Peter schwieg. Ich wusste, dass er keine Antwort erwartete. Er zündete sich eine Zigarette an – was ich ein wenig sonderbar fand, da er selten im Keller rauchte –, nahm ein paar Züge und drückte sie dann an einem der Holzbalken unter der Decke aus. Er begann, auf und ab zu laufen.
    »Zuerst erzählen sie dir, es sei verdorben, dann zwingen sie dich, sich vor ihnen auszuziehen. Als ich im Norden des Staates New York auf einer Jungenschule war, peitschten die Nonnen uns immer unter der Dusche aus. Sie stellten uns in der Dusche auf und schlugen uns. Jaha, als ob es sie nicht irgendwie erregt hätte, unsere nackten Körper zu sehen. Weißt du, warum diese Nonnen so grausam waren? Sexuelle Unterdrückung. Sexuelle Unterdrückung und Wut. Das sind die Folgen der ganzen Verdrängung in der Gesellschaft. Weißt du, was ich glaube? Ich habe sogar Bücher darüber gelesen. Ich bin überzeugt, wenn Kinder mit freier Sexualität aufwachsen würden, wenn sie sie als normal und natürlich kennenlernen würden, was sie ja ist … Wenn sie durch ihre gottgegebenen Körperteile Freude und Vergnügen erfahren dürften, ginge es auf dieser Welt deutlich besser zu.«
    »Glaube ich auch«, sagte ich. Ich konnte Peters große Worte nicht richtig begreifen, doch ich verstand das Wesentliche. So wie ich verachtete er Vorschriften und konnte nicht ertragen, dass Erwachsene immer versuchten, Kinder bei allem Wichtigen auszuschließen. Doch irgendwie bekam ich bei seinem Vortrag auch ein ungutes Gefühl.
    Peter fuhr fort: »In einigen Teilen Afrikas massieren Mütter abends die Genitalien ihrer Babys, damit sie besser einschlafen. Es gibt Stämme, in denen Mädchen mit acht, neun Jahren verheiratet werden. In manchen

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