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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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kleinen gerundeten Holztür. Unterwegs warf ich einen kurzen Blick auf den traurigen rosa Bären, der jetzt noch stärker von Efeu überwuchert war als ein Jahr zuvor. Der Schwanz der Meerjungfrau war inzwischen völlig von Efeu bedeckt. Peter sagte immer, er werde die Pflanze zurückschneiden, ehe von den Statuen nichts mehr zu sehen sei, doch bisher war er noch nicht dazu gekommen.
    »Bist du sauer? Bist du sauer?«, fragte ich, als wir den Keller betraten. An der Art, wie Peter schwieg, wusste ich, dass irgendwas nicht stimmte. Ich hatte ein wenig Angst, dass er wie Poppa werden würde, ständig zwischen fröhlich und wütend schwankend, und ich seine Laune nicht mehr würde vorhersagen oder beeinflussen können.
    Peter überraschte mich mit der Bemerkung, Fiver sei im Keller. Er sei ständig krank und müsse momentan von den anderen Kaninchen getrennt gehalten werden.
    »Das arme Kerlchen! Er ist ganz allein!«, sagte ich und lief zu dem Einkaufswagen, in dem Fiver saß. »Er muss sich einsam fühlen, ganz allein hier im Dunkeln.«
    »Nein«, beeilte sich Peter zu sagen. »Das tut er nicht. Kaninchen mögen Dunkelheit. In freier Wildbahn leben sie in Erdhöhlen, und wenn man sie draußen hält, muss man die Hütte in den Schatten stellen. Sie mögen kühle, feuchte Luft. Deshalb glaube ich nicht, dass Fiver hier unglücklich ist; er ist eigentlich ganz zufrieden.«
    Doch für mich sah er alles andere denn zufrieden aus; er wirkte traurig. Er kauerte in einer Ecke, hielt den Kopf gesenkt, schlief aber nicht. Der Boden war mit Zeitungspapier ausgelegt, er hatte eine Schale mit Pellets und eine Flasche mit einem langen Metallröhrchen. Ich holte eine Bohne aus meiner Tasche und schob sie durch den Draht von Fivers Einkaufswagen, doch er wollte sie einfach nicht holen, wie sehr ich ihm auch zuredete.
    »Wird er wieder gesund? Oder wird er sterben?«, fragte ich und erwartete, dass Peter die Wahrheit sagte.
    »Ich glaube, es geht ihm bald wieder besser«, sagte Peter, obwohl er alles andere als überzeugt wirkte. »Ich habe jetzt schon länger das teure Futter für ihn gekauft und ihm seine Medizin mit einer Pipette gegeben. Du siehst ja, sein Stall ist sauber, die Zeitung wird jeden Tag gewechselt, er hat genug zu trinken. Ich würde mir keine Sorgen machen, Liebes«, sagte er, drehte sich um und nahm meine Hände in seine. »Löst du jetzt dein Versprechen ein?«
    »Welches Versprechen?«
    »Du hast gesagt, du würdest alles für mich tun. Hast du versprochen.«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Für die Bohnen, weißt du nicht mehr? Ich habe gesagt, sie wären zu teuer, nur für die Kaninchen; ich wollte stattdessen Möhren kaufen, die hattest du auch schon in der Hand, einen ganzen Bund, aber du wolltest sie nicht, du wolltest die Bohnen, und du hast gesagt, du würdest alles in der Welt dafür tun. Weißt du das nicht mehr?«
    »Vielleicht. Kann sein. Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
    »Du hast es auf jeden Fall gesagt«, wiederholte er sanft.
    »Meinetwegen.«
    Eine Weile standen wir schweigend da, dann sprudelte es aus mir heraus: »Kennst du das Märchen von Hans und der Bohnenranke? Glaubst du, es sind Zauberbohnen? So wie Zaubereier? Vielleicht werde ich schwanger, wenn ich sie esse.«
    Bei diesen Worten lächelte Peter, wie ich geahnt hatte.
    »Die Kinder in der Schule haben gesagt, man wird schwanger, wenn man die Kerne von Wassermelonen verschluckt.«
    »So ein Blödsinn. Kinder haben so viele falsche Vorstellungen. Eltern sollten ihre Kinder nicht belügen, wenn es darum geht, wie Babys gemacht werden. Kinder sollten die Wahrheit wissen. Der Körper ist etwas Natürliches und Wunderschönes. Wenn es doch nicht so viel Scham in der Welt gäbe!« Peter wirkte außer sich, so wie immer, wenn er über den Zustand der Welt sprach. Dann sagte er: »Weißt du noch, dass ich dir erklärt habe, wie man Babys macht? Ich habe dir doch meinen Babymacher gezeigt. Meinen Penis.«
    Ich konnte mich nicht erinnern, den von Peter gesehen zu haben. »Ich hab mal Poppas gesehen. Als ich kleiner war, haben wir oft zusammen geduscht.«
    »Und warum hat er damit aufgehört?«
    »Er meinte, ich sei jetzt zu alt dafür.«
    Peter schüttelte den Kopf und sagte wieder etwas über die Schwierigkeiten mit der Gesellschaft. Dann fragte ich: »Und, wie werden Babys gemacht?«
    Er freute sich über meine Frage. »Menschen haben Organe, das sind kleine Wunder. Sie passen auf eine ganz wundervolle, perfekte Weise zueinander. Weißt

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