Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
Bewegung schien ihn zu überraschen. Sein Penis sah nicht so furchterregend und abstoßend aus wie beim letzten Mal. Er war ein natürlicher Körperteil, nichts Peinliches, das wusste ich inzwischen. Ich berührte ihn, und er wurde größer; Peter sagte, ich brauchte keine Angst haben, das wäre immer so. Die Haut wurde glatter, die Venen traten stärker hervor, sie erinnerten mich an Terrariumpflanzen, nur dass sie blau waren. Der behaarte Hautsack darunter wirkte auch straffer; ich fasste ihn an, er hüpfte in meiner Hand herum wie kalter Wackelpudding. Doch ich konnte kaum begreifen, dass das andere Teil wie durch Zauberkraft immer größer wurde. Ich musste an Alice im Wunderland und ihre Zaubertränke, Zauberkuchen und Zauberpilze denken. Durch manche Getränke wurde Alice größer, andere ließen sie schrumpfen. Sie konnte so winzig wie mein kleiner Finger und so groß wie Godzilla oder King Kong werden. Peters Penis wurde nicht durch Kuchen oder Pilze beeinflusst. Ich begriff, dass ich ihn steuerte. Inzwischen wusste ich genug davon, wie die Dinge liefen, um zu wissen, dass er ohne mich nicht größer geworden wäre.
Ich schaute hoch zur hellen Glühbirne. Eine Fliege kroch darüber. »Möchtest du, dass ich dich da küsse, Peter? Zum Geburtstag?«
»Darüber würde ich mich sehr freuen, mein Liebes.«
Ich küsste ihn auf die Stelle mit dem zugekniffenen Auge. Da war kein Pipi, es kam nichts heraus. Peter hatte mir gesagt, es könnte kein Pipi kommen, wenn er hart war. Es kommt kein Pipi heraus, sagte ich mir und küsste ihn mehrmals, kein Pipi, kein Pipi. Kein Blut, kein Blut. Kein Schmalz, kein Schleim, kein Schweiß. Nichts konnte da rauskommen.
»Kannst du daran lutschen? Wie an einem Lolli?«
Es gab eine Geschichte in einem alten Buch, das meine Mutter schon als Kind gelesen hatte, es hieß Das große Buch der Märchen ; jetzt gehörte es mir. Ich musste an die Geschichte mit dem Titel Der ewige Lolli denken. Sie handelt von einem Jungen namens Johnny, der so lange an seinem Lolli lutschte, bis er größer war als der Junge. Der riesige Lutscher wurde hinterher auf die Straße gestellt, weil er so groß wie ein Laternenpfahl war.
Ich saugte an Peters Penis und dachte dabei an die Geschichten aus dem Buch. Eine hieß Bösmäuschen . Bösmäuschen war der Freund der kleinen Donnica; er war ein lieber Mäuserich, nur manchmal konnte er nicht anders, dann wurde er böse und machte Sachen kaputt. Deshalb will Donnicas Mutter ihn umbringen. Sie versucht, ihn in einem Pappkarton zu ertränken, aber die Pappe weicht auf und Bösmäuschen schwimmt davon. Die Mutter versucht, ihn mit einem Flugdrachen loszuwerden. Sie bindet ihn draußen fest, damit er von einer Eule gefressen wird. Doch was sie auch ausprobiert, der Mäuserich kommt immer wieder zurück. Nach einer Weile beschließt er, eine gute Maus zu werden. Er tut, was ihm gesagt wird. Er wäscht das Geschirr ab, spricht seine Gebete. Vielleicht trinkt er auch ein Glas Milch, so wie meine Mutter mir jeden Abend ein Glas Milch gab, damit ich Vitamin D zu mir nahm. Plötzlich wusste ich nicht mehr, ob ich nicht auch eine Maus war, die Milch aus der Katzenschale auf dem Kellerboden trank. Ich mochte auch ein Baby sein, dem die Flasche gegeben wurde, oder war ich vielleicht oben und aß mit Karen Cornflakes mit Milch? War ich oben oder unten? Das war das Erste, über das ich mir Klarheit verschaffen musste: ob ich oben oder unten war. Und ob ich jetzt in der Wohnung auf der 32nd Street oder in Poppas neuem Haus wohnte. Wie alt ich war, und welcher Wochentag heute war. Ob ich Karen war, die oben ein Glas Milch trank, oder Margaux, die im Keller aus der Katzenschale schlabberte. Plötzlich fühlte ich mich so groß wie ein Daumennagel. Dann merkte ich, dass ich einen Daumennagel vor mir hatte. Peters Daumennagel. Ich merkte, dass ich zu Peters Gesicht hochsah. Sofort streichelte er mir übers Haar.
»Ich liebe dich«, sagte er. »Ich liebe dich so sehr, mein Schatz, so sehr. Hör jetzt besser auf, Schätzchen. Hör auf, Schätzchen.« Seine Stimme klang irgendwie anders, erstickt. »Du bist so schön. So schön und so liebevoll, und es war so ein wunderbarer Abend. Vielen Dank, ich danke dir, mein Liebes, danke, dass du mich liebst. Danke, dass du mich annimmst.« Er lachte breit und zog seine Hose mit einer raschen Bewegung hoch. »Das ist der beste Geburtstag meines Lebens!«
»Jetzt bist du mir aber was schuldig, Peter!«, sagte ich. Nun war meine Stimme
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