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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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mutiger, wie die eines beliebten Mädchens in der Schule. »Wenn ich Geburtstag habe, will ich eine große Feier! Bei Burger King !« Ich senkte den Blick, meine Stimme wurde leise, und ich murmelte: »Poppa sagt …«
    »Komm, wir gehen wieder nach oben«, sagte Peter, er sah plötzlich nervös aus. »Bevor die einen Suchtrupp losschicken! Und, was hat dein Vater gesagt?«
    »Dass ich bei Burger King nichts essen sollte, weil die Hamburger aus zerdrückten Kuhaugen und Zungen und Knochen gemacht werden. Alles wird in einer großen Maschine verrührt …«
    Peter schüttelte den Kopf. »Er ist verrückt.« Wir näherten uns der Treppe. »Nimm meine Hand, Liebes. Ich weiß, dass diese Treppe echt eine Zumutung ist.«
    »Poppa ist sowieso ein Lügner«, sagte ich mit der Stimme des beliebten Mädchens.
    »Wo wir gerade von deinem Poppa und auch von deiner Mutter sprechen …« Peter hielt inne und drehte sich zu mir um. Ich stand eine Stufe unter ihm. »Du weißt ja, dass du ihnen niemals etwas davon erzählen darfst …«
    Ich verdrehte die Augen und wackelte mit dem Finger. »Wie oft muss ich dir das noch sagen, Peter? Ich kann ein Geheimnis für mich behalten!«
    »Tut mir leid, mein Liebes, es ist nur so, dass kein Mensch verstehen würde, was wir füreinander empfinden. Man würde uns anfeinden. Wir würden voneinander getrennt werden. Man würde sagen, wir seien widerlich und schlecht, nur weil wir uns lieben.«
    »Ich weiß, Peter, ich weiß.«
    »Ich zeige dir jetzt, wie man ein Geheimnis für sich behält.« Er nahm meine Hand in seine. »Ich mache ein kleines Schloss, siehst du? So.« Er legte seinen kleinen Finger auf meine Lippen, als schiebe er ihn in ein Schloss. »Und dann gebe ich dir den Schlüssel, ja?« Er legte den imaginären Schlüssel in meine linke Hand. »Und«, sagte er und nahm meine Hand, »du schließt das Geheimnis ein. Und jetzt lege ich dir eine kleine Kette um den Hals, und an das Ende der Kette knote ich den Schlüssel.« Er tat, als würde er ihn festbinden. »Solange du diesen Schlüssel immer bei dir hast und darauf achtest, dass ihn dir niemand wegnimmt, musst du dir keine Sorgen machen.«
    Er küsste mich auf die Stirn, und ich sagte: »Ich werde den Schlüssel mit meinem Leben verteidigen.«
    Ich rieb meine Nase an seiner. »Eskimokuss!«, lachte Peter.
    »Fischkuss«, flüsterte ich, und wir spitzten die Lippen wie Fische.
    »Gut«, sagte er und drückte meine Hand. »Gehen wir, Schmetterlingsmädchen.«
    »Warum hast du Schmetterlingsmädchen gesagt? So hast du mich noch nie genannt.«
    »Weil du wie ein Schmetterling bist, so flatterhaft. Und du bist so zart, dass ich dir niemals wehtun möchte; ich möchte dir niemals Schmerz zufügen, nicht so wie dein Vater. Und ich möchte dich nie anlügen, und du sollst dich niemals schämen, nie. Ich weiß das zu schätzen, was du mir geschenkt hast, ich halte es in Ehren. Manchmal macht es mich wahnsinnig, dass ich dich nicht auf der Stelle heiraten kann, aber ich versuche, Geduld zu haben. Und ich weiß, dass wir irgendwann heiraten, auch wenn es keine große Hochzeit gibt, das glaube ich nicht, es sei denn, du wirst irgendwann mal eine ganz reiche Dame. Dein Vater wird sie nämlich nicht bezahlen«, sagte Peter grinsend. »Zu schäbig. Sieh mich an. Schau mir in die Augen. Wir wollen uns ansehen, nur einen Moment.« Da sah ich ihn an, sah ihn richtig an im schwachen Licht der nackten Glühbirne, ich sah seine lange spitze Nase, die er nicht leiden mochte, wie er mal gesagt hatte, seine Augen, die als Kind seiner Aussage nach babyblau gewesen, aber nachgedunkelt und jetzt eher türkisblau waren, auf sein früher platinblondes Haar, das einen Silberton bekommen hatte, da er nun zweiundfünfzig war.
    ***
    Ich hatte nur noch eins im Sinn: Flucht.
    Als ich die Schuppentür erreichte, die Tür zum Kaninchenloch, der Jäger mir dicht auf den Fersen, die Tür zum Milchkartonhaus, die Tür, an der das Rotkehlchen aus dem Hudson Park pickte, war ich kein Kaninchen mehr. Vielleicht verlor ich in dem Moment meinen Turnschuh und lief nur mit der Socke am Fuß durch den weißen Schnee. Vielleicht war es der Moment, als ich mich erstmals auf die Knie fallen ließ und unter den niedrigen Tisch huschte. Vielleicht war es der Augenblick, als seine Hände unter dem Tisch nach mir griffen, meine Füße nach seinen Händen traten und ich ihn anknurrte, weil ich ihn so sehr hasste. Ich hasste ihn, weil er summte. Weil die blaue Mütze auf seinem Kopf

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