Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
es ihre Scheide verdeckte. Ich wollte ihre Scheide sehen, um zu prüfen, ob wie bei mir Haare drumherum wuchsen. Eins der Dinge, die Peter über meine Scheide gesagt hatte, war, dass sie wunderschön unbehaart sei. Ständig zerbrach ich mir den Kopf über diese Haare und rasierte sie mit dem Apparat meines Vaters ab.
***
Kurze Zeit später setzte Poppa neue Regeln fest, wie ich mich im Haus anzuziehen hätte. Vorher hatte ich in Hemd und Unterhose herumlaufen dürfen, manchmal sogar ohne Oberteil. Jetzt musste ich zu allen Tageszeiten vollständig bekleidet sein, nicht weil mein zunehmend weiblicher Anblick Poppa unruhig machte, sondern weil wir ein großes Panoramafenster im Wohnzimmer hatten, durch das Fremde leicht hineinsehen konnten.
Oft saß ich, nur mit Unterhemd und Höschen bekleidet, auf der plastiküberzogenen Couch und schaute auf die Häuser an der anderen Straßenseite. Eines Tages bemerkte ich auf der Veranda eines dieser Häuser einen Mann, der zu mir herübersah. Ich begann, Dinge zu tun, die er meiner Ansicht nach interessant fand: Ich streckte ein Bein in die Luft oder warf mein kurzes braunes Haar (inzwischen ein kinnlanger Bob) nach hinten. Ich zog mein Hemdchen ein bisschen hoch und betrachtete meinen Bauchnabel. Das tat ich jedes Mal, wenn ich sah, dass der Mann herüberschaute. Mommy war immer oben, telefonierte mit Freundinnen oder rief Hotlines an.
Ich fühlte mich wie die Nackte auf Poppas Bild: wunderschön, so glutäugig und betörend. Ich schämte mich nicht mehr. Mein magerer Körper fühlte sich an wie die geschmeidige Figur eines Laufstegmodels. Nur in diesen Momenten hatte ich das Gefühl, etwas wert zu sein, und dachte, in mir würde jemand nicht nur eine Verrückte sehen.
Eines Tages winkte ich ihm zu. Er winkte zurück, und ich weiß nicht, warum, aber seine Kühnheit machte mich wütend. Ich hatte nicht gewollt, dass er zurückwinkte oder überhaupt reagierte.
Ich lief nach oben und platzte in das Schlafzimmer, das Mommy und ich uns teilten. Sie war am Telefon. Ich hörte meinen Namen und schloss daraus, dass sie wieder versuchte, Ratschläge für mich zu bekommen.
»Mommy, auf der anderen Straßenseite ist ein Mann, der mich im Schlüpfer anguckt!«
Schnell beendete sie das Gespräch. »Er guckt hier rein, in unser Haus?« Sie schüttelte den Kopf. »Deswegen sollst du immer angezogen sein; du bist jetzt zu alt, um halbnackt herumzuspazieren. Dein Vater sagt das, und ich auch. Dem Perversling sage ich aber jetzt die Meinung!«
Meine Mutter lief nach unten, stellte sich auf die Veranda und rief dem Mann über die Straße zu: »Sie da! Was denken Sie sich eigentlich dabei, meine neunjährige Tochter anzugucken! Wenn Sie das noch mal tun, rufe ich die Polizei!«
Sie schlug die Tür zu. »Deinem Vater müssen wir nichts davon erzählen, es sei denn, er hört nicht auf damit. Wir haben zwei robuste Schlösser an der Haustür, deshalb mache ich mir keine Sorgen. Ich will nicht, dass dein Vater es wieder an dir auslässt, dir das Haar abschneidet oder so was. Er macht sich schon so genug Gedanken um dich.«
Das stimmte. Am Vorabend hatte Poppa mich betrunken in der Küche beiseite genommen und gefragt, ob ich wüsste, was Vergewaltigung sei. Ich bejahte. Ich hatte das Wort in der Schule gelernt, weil mir einige Mädchen einen Zettel gegeben hatten, auf dem stand, sie hätten einen Mann besorgt, der mich vergewaltigen würde. Poppa sagte, da ich mich nun entwickelte, sei ich ein potenzielles Opfer. Ich solle aufpassen. Unter den Neonröhren in der Küche hob er mein Kinn an, sah mir in die Augen und sagte: »Weißt du was, wenn dich je so ein Wilder in die Hände bekommt und dir die Wahl lässt zwischen Vergewaltigung und Tod, dann wähle den Tod. Dann behältst du nämlich deine Ehre. Du stirbst im Kampf, wie eine richtige Frau. Verstehst du? Du sagst diesem Schwein, er solle dir zuerst die Kehle durchschneiden. Du sagst ihm, du würdest lieber erschossen werden. Du spuckst ihm ins Gesicht! Du beschimpfst ihn als Schwein und schickst ihn zur Hölle! Hörst du mich? Verstehst du mich? Du lässt nicht zu, dass du besudelt wirst!« Er schrie beinahe, und ich bekam Angst, deshalb sagte ich, was er hören wollte. Ich konnte ihm nicht sagen, dass es bereits zu spät war; ich war längst besudelt. Ich konnte nur in der Badewanne den Kopf so lange unter Wasser halten wie möglich, konnte versuchen, mich selbst zu ertränken, um auf diese Weise unsere Familienehre zu retten, die
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