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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Gasherd sterilisierten Nadel und in Alkohol getränkten Wattebäuschen zu behandeln. Oft lobte er mich bei dieser Prozedur, weil ich so tapfer war, absolut still stand und keinen einzigen Laut von mir gab. Das Sonderbare war, dass die Abende, wenn Poppa an meiner Haut arbeitete, unsere einzigen Momente der Zweisamkeit waren, und auch wenn ich mich nicht auf den Stich der Nadel und den durchdringenden Geruch des Isopropanols freute, lernte ich, mir nichts daraus zu machen, weil Poppa mich oder meine Mutter dabei zumindest nicht anschrie. Es gefiel mir, dass er mein Gesicht vorsichtig und wohlwollend berührte und dass er mir manchmal, wenn die Strapaze überstanden war, mit der Fingerspitze auf die Nase tippte.
    ***
    Eines Nachts wurde ich durch Geschrei geweckt. Ich schlich aus meinem Zimmer, schlang zum Wärmen die Arme um mich und tastete mich über den dunklen Flur zum Geländer an der Treppe vor, um durch die Stäbe hinunterzuschauen. Das kleine Nachtlicht im Treppenhaus brannte und warf einen unheimlichen Schatten auf die Gesichter meiner Eltern, die am Fuße der Treppe miteinander stritten. Mommy versuchte, an Poppa vorbeizukommen; er verstellte ihr den Weg zur Treppe. Jedes Mal, wenn sie versuchte, an ihm vorbeizuhuschen, hob er lachend die Hand, als wollte er sie schlagen. Sie trug ein langes geblümtes Nachthemd, er ein weißes Unterhemd und Boxershorts.
    »Lass mich vorbei! Lass mich durch!«
    »Wen rufst du sonst noch an? Ich habe eine Telefonrechnung über dreihundert Dollar, sag mir, wen du sonst noch anrufst!«, schrie Poppa. »Sag es mir, verdammt noch mal! Abgesehen von der Schlampe, die uns nie zu Weihnachten einlädt, diese Hure, diese Schlampe, die beim Essen mal mit gespreizten Beinen am Tisch saß, diese dreckige Schlampe, die sich an mich herangemacht hat …«
    »Halt deinen Mund!«, sagte Mommy. »Du weckst noch Margaux auf mit deinem bösartigen Geschrei!«
    Poppa war so betrunken, dass er lallte, was ich noch nie bei ihm gehört hatte. »Wahrscheinlich hat sie längst alles gehört, wegen dir. Weil du sie in dieses schmutzige Haus mitgenommen hast, zu diesen wilden Jungen und dem kranken Kerl, diesem ekelhaften Perversen, zu diesem Mann, den du so geliebt hast! Rufst du ihn an? Er taucht nicht auf der Rechnung auf, weil es ein Ortsgespräch ist. Aber wenn du ihn anrufst, finde ich es heraus! Wenn du ihn anrufst oder sie ihn anruft, werde ich das erfahren! Ich habe so meine Wege …«
    »Ich glaube, das Ganze war ein Missverständnis. Das steht in keinem Verhältnis mehr. Margaux wird für nichts und wieder nichts bestraft.«
    »Also hast du ihn angerufen? Hast du dir seine Sicht der Dinge angehört? Weißt du etwa nichts darüber, wie Männer denken? Hast du keine Ahnung, was für Gedanken Männer haben?« Er sprach leise, höhnisch. »Hat dein Vater dir nichts beigebracht? Hat er dich nie beiseite genommen und dir erzählt, was Mädchen über die Welt wissen müssen? Dein Vater hat dich und deine Schwestern den ganzen Tag durch den Wald laufen lassen. Deine Mutter hat den ganzen Tag auf dem Sofa gelegen und französische Vokabeln geübt. So bist du aufgewachsen. Genau so. Dein Vater hat sich nicht um dich gekümmert. Du redest von ihm, als wäre er ein Gott, aber hat er dir und deinen Schwestern irgendwas erklärt? Praktische Ratschläge gegeben? Dein Vater war ein …«
    »Hör auf, von meinem Vater zu reden!« Mommy steckte sich die Finger in die Ohren. »Ich höre mir das nicht mehr an! Ich höre mir dein gemeines Gerede nicht mehr an! Du hast schmutzige Gedanken, du bist ein kranker Mann! Du bist derjenige, der die Telefonrechnung nach oben treibt, weil du ständig in Kuba anrufst, bei deiner Freundin! Ja, ich wäre gerne aufgeklärt worden! Ich wäre gerne von meinen Eltern beiseite genommen worden! Meine Eltern waren ahnungslos. Anders als du! Mein Vater hätte mich vor Männern wie dir warnen sollen, die Tausende von Freundinnen haben. Du hast mir mein gesamtes Erbe abgenommen, fünfzigtausend Dollar von meinem armen toten Vater, über den du jetzt auch noch den Nerv hast, schlecht zu reden!«
    »Davon habe ich die Anzahlung aufs Haus geleistet! Wenn ich nicht wäre, säßest du längst in der Anstalt – dann wäre das Geld deines Vaters beim Staat. Ich hab dem Mann sogar einen Gefallen getan, als ich dich genommen habe!«
    »Hör zu, ich weiß, dass du mich wegen meines Geldes geheiratet hast; ich habe mal gehört, wie du das gesagt hast. Mit deinen Lügen hast du mein ganzes Leben

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