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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Zweitens war sie Tänzerin. Niemand konnte ihr widerstehen, nicht mal ihr eigener Bruder!
    Peter schmirgelte die Wand glatt. Ich sprang vor ihm herum und erzählte ihm dabei von Cathys Erlebnissen. »Weißt du, was mit Paul am Ende von Wie Blüten im Wind passiert?« Ich wartete. »Er stirbt an einem Herzinfarkt, in Cathys Armen! Er schläft gerade mit ihr, und sein Herz hört einfach auf zu schlagen! Ist das nicht romantisch?«
    »Schon. Aber auch traurig. Findest du das nicht traurig?«
    Ich nickte. »Aber Cathy macht weiter.«
    »Wie alt ist Paul, als das passiert?«
    »Keine Ahnung. Ungefähr in deinem Alter«, sagte ich grinsend. Peter schlug mit dem Schleifpapier nach mir. »Nein, war nur ein Witz. Wenn wir das erste Mal zusammen schlafen, machen wir das ganz langsam, damit du dich nicht zu sehr aufregst, ja?«
    »Na, dazu wird es erst mal nicht kommen«, sagte Peter. »Ich hab’s nicht eilig.«
    Wir konnten eh nicht zusammen schlafen; es bestand immer die Gefahr, dass meine Mutter unerwartet zurückkehrte oder Richard an die Tür klopfte und Zigaretten haben wollte. Richard hatte schon mehrmals gestört, wenn ich Peter einen blies oder runterholte, meine »Geschenke« an ihn. »Warum ist diese Tür ständig abgeschlossen?«, fragte Richard einmal, und Peter fuhr ihn an: »Damit du draußen bleibst und mir nicht noch das letzte Hemd klaust.« Genervt gab Peter ihm einmal drei volle Päckchen, doch nach einer Stunde klopfte Richard erneut an und fragte, ob er sich das Motorrad ausleihen könne (Ich war entsetzt, als Peter ihm die Schlüssel reichte). Nicht nur mit Richard musste Peter fertigwerden, er war auch ständig auf der Hut vor den schlurfenden Schritten meiner Mutter; wenn sie kam, entriegelte er schnell die Tür. Anders als Peter fand ich diese Unterbrechungen lustig, denn sie machten es zusätzlich spannend; es bestand immer die Gefahr, dass wir erwischt wurden und wie geplant nach Skandinavien oder Thailand fliehen mussten. Ich berichtete Winnie weiterhin von meinen sexuellen Abenteuern mit Ricky und befriedigte mich zu Hause, indem ich mir vorstellte, meine Lügen wären wahr. Winnie wollte immer wieder wissen, wann ich »es« endlich tun würde.
    Peter unterbrach seine Arbeit, um sich eine Zigarette anzuzünden. »Erzähl mir mehr von Paul und Cathy! Sie lieben sich, oder? So wie wir.«
    »Liebe, Lust und Leidenschaft. Von der alles verzehrenden Sorte. Aber es ist ja nicht nur Paul. Alle Männer wollen Cathy: junge Männer, alte Männer, mittelalte Männer, verheiratete Männer, alleinstehende Männer, reiche Männer, arme Männer, alle. Zum Beispiel ist ihr Bruder Chris völlig verrückt nach Cathy, genauso wie Julian, ihr Tanzpartner. Aber Julian ist böse, er schlägt sie, und einmal verprügelt er sie so schlimm, dass sie nicht mehr auf die Bühne kann. Cathy bekommt ein Kind von Julian, und ein paar Jahre später heiratet sie Paul. Weil Julian Selbstmord begeht! Verstehst du, zuerst war sie mit Julian verheiratet, dann mit Paul, und dann heiratet sie noch einen anderen Typen, der vorher der Mann ihrer Mutter war! Und alle Männer sterben!«
    »Das hört sich an, als sei Cathy eine Schwarze Witwe. Weißt du, die männlichen Exemplare der Schwarzen Witwe müssen die weibliche Spinne fesseln, damit sie selbst nicht getötet werden. Nur dann können sie … kopulieren.« Bei dem letzten Wort verzog Peter das Gesicht. »Aber sobald das Weibchen sich aus dem Netz befreit, bringt es das Männchen um, legt Eier hinein, und wenn die Kinder schlüpfen, fressen sie seinen toten Körper. Das ist doch nicht sehr nett, oder?«
    »Es ist auch nicht nett von dem Männchen, sie einzuspinnen«, sagte ich achselzuckend. »Egal, jedenfalls zurück zu Cathy … Nein, nein, reden wir lieber über ›Die Geschichte‹!« »Die Geschichte« hatte im vergangenen Jahr neue Dimensionen angenommen. Wenn Peter arbeitete, unterhielten wir uns über fast nichts anderes. Neue Figuren waren hinzugekommen. Carlos hatte nun eine Mutter, Arana, die sich vor einen Zug warf und Selbstmord beging, dann aber als Geist die Familie heimsuchte. Dann gab es noch Victor, Carlos’ Bruder, den Peter mit rauer, kratziger Stimme sprach. Victor war für sein Leben gezeichnet, nachdem Arana ihn als Kind versehentlich mit kochendem Wasser verbrüht hatte; weil er vernarbt war und schlimm aussah, sperrte sie ihn tagsüber in einer Kammer ein. Die Geschichte wechselte ständig die Zeitebene, sprang zwischen der Kindheit der Jungen und ihrer

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